Content:

Mittwoch
31.10.2012

Medien / Publizistik

Der Presserat hat eine Beschwerde der Hyposwiss Privatbank AG, einem Tochterunternehmen der St. Galler Kantonalbank, gegen Insideparadeplatz.ch teilweise gutgeheissen: Die Internetseite hat nach Ansicht des Gremiums gegen die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Anhöhrung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten verstossen».

Unter dem Titel «Ex-Assistentin leitet Hyposwiss-Compliance» hatte «Inside Paradeplatz» am 7. Dezember 2011 einen Artikel von Lukas Hässig veröffentlicht, der sich kritisch mit der Bank und ihrem Umgang mit Compliance befasste. Unter anderem schrieb der Autor, die Compliance-Abteilung werde von einer Ex-Marketing-Sachbearbeiterin «mit Schnellbleiche in Compliance» geführt. Diese habe «gigantische Beträge» ungehindert fliessen lassen und es frage sich, so der Journalist, ob die Managerin Teil einer Kultur sei, bei der im Zweifelsfall weggeschaut werde.

Hässig nahm das Thema in zwei weiteren Artikeln auf: Am 20. Dezember titelte «Inside Paradeplatz» «Kleine Hyposwiss gross im Russen-Sumpf», am 6. Februar «Russen-Hyposwiss gibt Compliance-Versagen zu». In letzterem Artikel schrieb der Autor mit Bezug auf ein E-Mail eines Anwalts, der einen russischen Kunden der Bank vertritt, die Bank habe ein Compliance-Problem: Die Bank, so Hässig, habe die Anforderungen für Oligarchentransaktionen im Zuge der Affäre «massiv erhöht», wobei Aussagen darauf hindeuteten, dass die Bank bisher unvollständige Zahlungsaufträge akzeptiert habe.

Die Hyposwiss Privatbank AG beschwerte sich daraufhin beim Presserat: «Inside Paradeplatz» habe mit den Artikeln gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar), 3 (Anhörung bei schwerfen Vorwürfen), 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) und 8 (Diskriminierung) der «Erklärung» verstossen.

Gutgeheissen hat der Presserat die Beschwerde bezüglich der Anhörung bei schweren Vorwürfen: Der Vorwurf, vor den Änderungen der Compliance-Regelungen hätte eine «Kultur des Wegschauens» geherrscht, wiegt nach Auffassung des Presserats schwer: Die Internetpublikation sei «verpflichtet gewesen, die Hyposwiss vor der Veröffentlichung des Artikels anzuhören und eine allfällige Reaktion im Artikel kurz und fair wiederzugeben», heisst es in der am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Das gelte jedoch nicht für die Vorwürfe gegenüber der Leiterin der Compliance-Abteilung, denn diese seien zuvor bereits in anderen Medien veröffentlicht worden. «Gemäss der Praxis des Presserats ist eine Anhörung nicht zwingend, wenn schwere Vorwürfe nicht neu sind.» Verzichte die Redaktion jedoch auf eine neuerliche Anhöhrung, sei sie verpflichtet, zusammen mit dem Vorwurf eine frühere Stellungnahme des Betroffenen mitzuliefern.

Die Wahrheitspflicht habe «Inside Paradeplatz» durch den Titel «Russen-Hyposwiss gibt Compliance-Versagen zu» verletzt. «Stark verkürzende, weit gehende Titel» seien «frühzeitig, bereits im Untertitel oder Lead, zu relativieren», so der Presserat. Die mit dem E-Mail des Anwalts belegte Behauptung, die Hyposwiss gebe ein Versagen zu, verstosse deshalb gegen das Wahrheitsgebot.