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Freitag
08.12.2000

Wird ein Leserbrief nicht publiziert, darf die Zeitung den Autor nicht in einem Kommentar kritisieren. Ist aber der Standpunkt des Kritisierten bereits aus früheren Darstellungen bekannt, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden, urteilt der Presserat. Im September 1999 sandte der Freiburger Rechtsprofessor Franz Riklin der Redaktion von «La Liberté» einen Leserbrief, der sich zu den Auseinandersetzungen über die Freiburger Justiz äusserte. Die Redaktion entschied, den Brief nicht zu publizieren. Der Chefredaktor begründete diesen Entscheid daraufhin in einem Kommentar, in dem er Professor Riklin unter anderem vorwarf, einen
Mitarbeiter der «Liberté» verleumdet zu haben und die Medien für seine Kampagne zu instrumentalisieren. Franz Riklin beschwerte sich beim Presserat, es sei unfair gewesen, seinen Leserbrief lediglich verkürzt und in Brocken im Kommentar wiederzugeben. Der Presserat weist in seinen Erwägungen darauf hin, dass der Leserschaft von «La Liberté» die wesentlichen Argumente der Debatte zumindest in den Grundzügen bekannt waren. Es wäre unverhältnismässig, von den Medien zu verlangen, dass sie bei einer während Monaten anhaltenden Debatte in jedem einzelnen Beitrag sämtliche Elemente wiedergeben. Im Kommentar sei zudem ausdrücklich auf zwei kurz vorher erschienene Artikel verwiesen worden. Unter diesen Umständen sei eine Unterschlagung von wesentlichen Informationselementen zu verneinen, schreibt der Rat am Freitag.