Dass eine Tageszeitung das Vorgehen eines Amtes kritisiert, ist nicht nur zulässig, sondern erwünscht, findet der Presserat und weist deshalb die Klage eines Leiters der Jugendschutzbehörde ab, wie der Presserat am Freitag in einer Stellungnahme schreibt.
Der Familienvater einer Pflegefamilie war wegen Pädophilie verurteilt worden. Die Westschweizer Tageszeitung «24 Heures», die Tamedia gehört, hat über den Prozess berichtet und sich anschliessend vertieft mit der Frage auseinandergesetzt, wie so etwas passieren konnte.
Dazu befragte die Journalistin den Leiter der Waadtländer Jugendschutzbehörde und weitere externe Experten. Sie thematisierte zudem Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Jugendschutzbehörde in Bezug auf die Betreuung des Mädchens, welches in dieser Familie platziert worden war.
Der Artikel von «24Heures» respektiert die Privatsphäre der involvierten Personen. Weder die Familie, noch das Mädchen, noch Angestellte der Jugendschutzbehörde sind identifizierbar. Der Leiter der Jugendschutzbehörde hat Gelegenheit erhalten, sich zu äussern.
Gewisse externe Experten übten Kritik und wiesen insbesondere auf das Problem des Negierens durch Fachleute hin.
Für den Leiter der Jugendschutzbehörde, welcher den Presserat angerufen hat, hat der Artikel von «24 Heures» grossen Schaden angerichtet, insbesondere gegenüber dem Mädchen.
Der Presserat räumt ein, dass sich die Berichterstattung über eine solche Angelegenheit auf die Beteiligten auswirken kann. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse jedoch klar.
Die Journalistin war bei ihrer Recherche mit dem nötigen Feingefühl vorgegangen, findet der Presserat.
Der Presserat hat deshalb die Beschwerde des Leiters der Jugendschutzbehörde abgewiesen.