Der Presserat kommt in seiner Beurteilung zur Medienberichterstattung im Fall Hildebrand zum Schluss, dass die Medien «ihre Rolle als `Wachhunde der Demokratie` erfüllt» haben. Dies gelte auch für die «Weltwoche», deren Enthüllungen letztlich zum Rücktritt des Nationalbankpräsidenten geführt hätten.
Zwar seien der Wochenzeitung in ihrer Berichterstattung «gleich mehrere Fehler unterlaufen» - die Verletzung der Wahrheits-, der Berichtigungs- und der Anhörungspflicht sowie die Entstellung von Informationen -, die Voraussetzungen für die Veröffentlich seien aber «knapp erfüllt» gewesen.
«Bei der Berichterstattung zum Fall Hildebrand überwog das öffentliche Interesse den Schutz der Privatsphäre», stellte sich der Presserat an seiner Jahresmedienkonferenz vom Donnerstag auf einen umstrittenen Standpunkt. Kritisiert wurde, dass bei einigen Berichten die «Gefahr einer Instrumentalisierung durch Informanten» bestanden hätte. Zudem vermisste die Beschwerdeinstanz teilweise «Unabhängigkeit und Distanz zwischen Journalisten und Informanten». Trotzdem sei das Publikum in der Lage gewesen, «die Rolle der Hauptexponenten der Affäre wie jene der Medien zu verstehen und einzuordnen».
Zur sogenannten Zwei-Quellen-Regel - unbestätigte Informationen müssen durch mindestens zwei Quellen abgesichert sein -, meinte der Presserat am Donnerstag: «Ausnahmsweise darf ein Journalist auf die ihm zugespielten Informationen einer indirekten, für ihn anonymen Quelle abstellen, sofern die Information zusätzlich durch ein Dokument belegt ist, er den Wahrheitsgehalt überprüft und insbesondere die Betroffenen mit der Enthüllung konfrontiert.»
In Sachen «Weltwoche» kam der Presserat zu einer positiven Beurteilung. Wenngleich es zu Fehlern gekommen sei, habe sie «den Fall zurecht aufgegriffen». Als «Fehler» nannte der Presserat erstens die Verletzung der Wahrheits- und Berichtigungspflicht: «Die `Weltwoche` hat ihrer Leserschaft die Hauptquelle ihrer Information - den Anwalt Hermann Lei - vorenthalten, als indirekte Quelle fälschlicherweise Hildebrands Kundenberater genannt und unterschlagen, dass sie nie direkten Kontakt zum Informanten hatte.» Diese Falschmeldungen seien zudem nicht berichtigt worden, betont der Presserat.
Zweitens habe die «Weltwoche» dadurch Informationen entstellt, dass sie darauf verzichtete, die als «Hildebrands Bankkonto» bezeichnete Illustration als «Montage» zu kennzeichnen. Als letzten Kritikpunkt nannte der Presserat eine Verletzung der Anhörungspflicht: «Das Magazin wäre verpflichtet gewesen, Sarasin vor der Publikation mit dem schweren Vorwurf zu konfrontieren, Hildebrands persönlicher Kundenberater habe der `Weltwoche` Informationen zu Kundendaten und Transaktionen zukommen lassen, habe sich selbst angezeigt und Strafanzeige gegen Hildebrand gestellt», so der Presserat.
Trotz dieser Fehler sind die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nach Ansicht des Presserats erfüllt gewesen: «Das Interesse, die Kontroverse um private Geschäfte des Nationalbankchefs zu klären, überwog den Umstand, dass ein Sarasin-Mitarbeiter mit seiner Indiskretion zwangsläufig das Bankgeheimnis verletzt hat.»