Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen das «Oltner Tagblatt» wegen der Veröffentlichung von anonymen SMS gutgeheissen. Es sei gegen die Ziffer 5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» («anonyme Leserzuschriften») verstossen worden, wie der Presserat am Dienstag mitteilt.
«Redaktionen dürfen Rückmeldungen aus der Leserschaft ohne Angabe von Namen und Ort veröffentlichen, falls sie nach sorgfältiger Prüfung zum Schluss kommen, dass die Anonymität nicht missbraucht wird, um Gerüchte, Unwahrheiten oder verletzende Anwürfe zu verbreiten», so der Presserat.
Im August 2010 veröffentlichte das «Oltner Tagblatt» in seiner Rubrik «Feedback-SMS» zwei anonyme SMS, die den Autor eines am Vortag veröffentlichten Feedbacks beschimpften. Letzterer wandte sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Angeregt durch die Beschwerde, beschloss das «Oltner Tagblatt», Feedbacks, die jemanden namentlich attackieren, künftig zwingend mit dem Namen zu zeichnen.
Der Presserat nimmt die Beschwerde zum Anlass, seine Praxis zum Abdruck anonymer Leserzuschriften zu überprüfen, da mit der Entwicklung des Internets und der mobilen Kommunikation in den letzten Jahren neue Partizipationsformen für die Leserschaft entstanden seien. Für die Beurteilung, ob Leserkommentare anonym veröffentlicht werden dürfen, spiele es allerdings keine Rolle, ob dies online oder gedruckt erfolgt.
Zu berücksichtigen sei hingegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Der Verzicht auf die Nennung des Namens des Absenders erscheine dann verhältnismässig, wenn sich ein Text weder auf eine Person bezieht noch anderweitig verletzend wirken könnte. Insofern gehe auch die Praxisänderung des «Oltner Tagblatts» in die richtige Richtung, wenn auch im konkreten Fall die Voraussetzungen für den anonymen Abdruck nicht gegeben waren.




