Wesentliche Informationselemente dürfen in der Medienberichterstattung nicht unterschlagen werden. Das muss aber nicht heissen, dass in jedem Artikel alle Informationen vorhanden sein müssen. Zu diesem Schluss ist der Schweizer Presserat gelangt. Auch eine anwaltschaftliche, einseitige Berichterstattung sei mit der Berufsethik vereinbar. Jedoch müssten dann die Betroffenen angehört werden - ausser die Vorwürfe würden sich in sehr allgemeiner Weise gegen «die Justiz» eines Landes richten.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde der «Association des usagers des médias en Europe» gegen eine Reihe von Reportagen in der «Tribune de Genève» zwischen 1999 und 2002 zur Menschenrechtslage in Tunesien und der Justiz dieses Landes. Die Vereinigung rügte die Einseitigkeit der Berichterstattung und die fehlende Unabhängigkeit der Autorin, die mit einem bekannten Genfer Menschenrechtsaktivisten liiert sei. Die «Tribune de Genève» wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Presserat weist darauf hin, dass die Artikel nicht nur ein einseitig negatives Bild über Tunesien zeichneten. Ohnehin sei es aber mit der journalistischen Berufsethik vereinbar, in einseitiger Weise einzelne Aspekte aus der Realität hervorzuheben. Die davon direkt Betroffenen müssten aber vor der Veröffentlichung schwerer Vorwürfe angehört und ihre Stellungnahme im Medienbericht wiedergegeben werden. Bei den von der «Tribune de Genève» veröffentlichten, sehr generellen Vorwürfen gegenüber der tunesischen Justiz sei es für die Leserschaft allerdings zum vorneherein klar, dass die Behörden bloss mit einem allgemeinen Dementi reagieren würden. Deshalb sei eine Anhörung in diesem Fall ausnahmsweise nicht zwingend. Details unter http://www.presserat.ch/15840.htm.
Dienstag
03.12.2002