Content:

Dienstag
03.12.2002

Medienschaffende dürfen auf vertrauliche polizeiliche Informationen zu einem erheblichen strafrechtlichen Verdacht gegen eine bekannte Persönlichkeit abstellen, wenn der Verdacht durch die Ermittlungsakten belegt scheint. Vor der identifizierenden Veröffentlichung eines derartigen strafrechtlichen Vorwurfes müssen Medienschaffende aber in jedem Fall den Betroffenen kontaktieren und seine Stellungnahme im Medienbericht wiedergeben. Zu diesen Schlüssen ist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.

Konkret ging es um einen im März 2002 veröffentlichten Artikel mit dem Titel «Clearingstelle Schweiz» in der «Handelszeitung», der sich mit der Verwicklung von Schweizer Firmen, Beratern und Rechtsanwälten in «Korruptionsskandale um Müllverbrennungsanlagen in Deutschland» befasste. Darin wurde ein bekannter Zürcher Wirtschaftsanwalt mit Namen genannt: Kölner Ermittler hätten eine Voruntersuchung gegen ihn eingeleitet. Der Betroffene habe sich zu den Anschuldigungen nicht äussern wollen. Der genannte Anwalt gelangte daraufhin an den Presserat und rügte die Verletzung der Wahrheitspflicht, der Pflicht zur Unterlassung anonymer Anschuldigungen und der Namensnennung sowie der Anhörungspflicht bei schweren Vorwürfen. Die «Handelszeitung» wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Presserat bejaht ein Interesse der Öffentlichkeit daran, zu erfahren, wer möglicherweise als Schweizer Hintermann in einen deutschen «Abfallskandal» verwickelt sei. Ebenso hielt es der Presserat hier für gerechtfertigt, dass die «Handelszeitung» ihrem Informanten Anonymität zusicherte. Den Entscheid im Detail unter http://www.presserat.ch/15830.htm