Der Schweizer Presserat hat sich mit der Frage zu befassen, ob die Medien die Identität und Privatsphäre eines mutmasslichen Mörders, ein bekannter Wissenschaftler, schützen müssen. Diese Frage wurde vom Presserat verneint; dieser Entscheid stellte sich im Zusammenhang mit einer Beschwerde des waadtländischen Anwaltsverbands gegen «24 Heures» und «Le Matin». Damit wurde die Klage nur teilweise gutgeheissen, wie der Presserat am Dienstag mitteilte.
Die beiden Tageszeitungen haben mit den Berichten «Le meurtrier présumeé est un chercheur de renom («24 Heures») und («Le suspect est un célèbre généticien» («Le Matin») in unverhältnismässiger Weise der Privatsphäre zuzuordnende Informationen über einen mutmasslichen Täter veröffentlicht und damit die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
Der Presserat erinnert daran, dass Journalistinnen und Journalisten bei Gerichts- und Kriminalberichten in der Regel keine Informationselemente veröffentlichen, die eine Identifizierung der Beteiligten ermöglichen. Im konkreten Fall waren die Involvierten aufgrund der familiären Verbindung zwischen Opfer - einer regional bekannten Person des öffentlichen Lebens - und Angeschuldigtem (dem Schwiegersohn des Opfers) aber von vornherein über ihre engeres soziales und familiäres Umfeld hinaus erkennbar.
Trotzdem, findet der Presserat, durften die beiden Zeitungen aber nicht sämtliche ihnen bekannten, der Privatsphäre zuzuordnenden Informationen über den Angeschuldigten veröffentlichen. Denn mit jeder zusätzlichen Angabe vergrösserte sich der Kreis derjenigen, die einen Verdächtigten identifizieren können. Selbst wenn dessen Identifizierung bei einem Teil der Leserschaft unvermeidbar war, waren die beiden Zeitungen deshalb verpflichtet, bei jedem Informationselement sorgfältig zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Publikation und dem Schutz der Privatsphäre abzuwägen.
Dienstag
15.06.2010



