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Donnerstag
21.01.2021

Medien / Publizistik

Claire Vallée, die Köchin im «ONA», glaubt an eine neue «nouvelle cuisine» für Frankreich…             (Bild: Guide Michelin, Maxime Gautier)

Claire Vallée, die Köchin im «ONA», glaubt an eine neue «nouvelle cuisine» für Frankreich… (Bild: Guide Michelin, Maxime Gautier)

Wer kocht den besten Coq au Vin, Blanquette de Veau oder Bœuf bourguignon? Das waren bis jetzt die heiss diskutierten Religionsfragen in Frankreich, wenn im Januar der traditionelle «Guide Michelin» für das kommende Jahr erschienen ist.

Die neuen Stars 2021: «AM» von Alexandre Mazzia in Marseille ist erstmals mit drei Sternen dekoriert worden. Zwei Lokale sind neu mit zwei Sternen ausgezeichnet worden. 54 Neulinge wurden in den erlauchten Kreis der Ein-Stern-Schlemmertempel aufgenommen.

Darunter – Trommelwirbel – erstmals ein vollveganes Restaurant. «ONA» nennt sich das «Bistro» in der Nähe von Bordeaux. Der Name will eine Ikone für eine sich wandelnde kulinarische Landschaft in Frankreich sein: «Origine Non-Animale».

Für die jetzt preisgekrönte Küchenchefin Claire Vallée steht somit hinter der Auszeichnung nicht nur ein Michelin-Stern, sondern ein aufgehender Stern für die französische Küche: «Es spricht für eine neue Bewegung in Frankreich, wo die Ernährung immer noch sehr fleischbasiert ist.»

Die Autodidaktin am Herd fügt bei: «Jeder hat seinen Platz. Wir wollen zeigen, dass man anders essen kann.»

Tatsächlich wurden vegane Betriebe bereits in den USA, Spanien und Deutschland mit Michelin-Sternen ausgezeichnet. Aber das «ONA» ist eine Premiere für Frankreich.

Gwendal Poullenec, der internationale Leiter der «Guides Michelin», will die Abkehr vom Fleisch allerdings als nicht ganz neu bezeichnen.

Bereits Alain Passard, der Inhaber und Küchenchef vom «L'Arpége» in Paris, habe vor zwei Jahrzehnten Fleisch von seiner Speisekarte genommen. Ebenfalls Alain Ducasse, für viele Frankreichs grösster kulinarischer Superstar und Chef von über 20 Restaurants weltweit, hat in seinem Pariser Flaggschiff die Fleischmenge drastisch reduziert. Aber: «Es ist nicht einfach, Spitzengastronomie zu machen, wenn man mit einem Kulturgut bricht, das so mächtig ist wie Fleisch», sagte Ducasse 2016 der Zeitung «Le Monde».

Allerdings einen Stern an ein Restaurant zu vergeben, das nicht nur fleischlos, sondern auch bekennend vegan sei, habe das Potenzial, «die Dinge noch weiter aufzurütteln», glaubt Poullenec vom führenden Guide.

«Die breite Öffentlichkeit mag reinen Veganismus nicht mit einer gastronomischen Erfahrung in Verbindung bringen», sagte er. Aber ein Michelin-Stern könnte Köche «befreien», die immer noch zögern, die pflanzliche Küche zu erkunden.