Medien sind auf bestätigte Informationen der Polizei angewiesen, müssen aber gleichzeitig kritische Distanz in ihrer Funktion als Watchdog bewahren – ein Spannungsfeld.
Darauf ging einer der Workshops an der diesjährigen Tagung «JournalismusTag.22» ein. Für den Klein Report berichtet Journalistin Eva Hirschi.
Darf die Polizei eine Hausdurchsuchung bei einer Journalistin oder einem Journalisten durchführen und den Laptop mitnehmen? Wie viele Informationen dürfen Polizistinnen und Polizisten den Medienschaffenden geben? Und wann müssen diese ihre Videoaufnahmen von potenziell strafrechtlich relevanten Fällen herausrücken?
Anhand konkreter Beispiele aus der Praxis wurde dieses Thema an einem der Workshops an der diesjährigen Tagung des Vereins Qualität im Journalismus diskutiert. Denn immer wieder bietet dieses Feld Spannungspotenzial: Medienschaffende sind einerseits auf bestätigte Informationen von der Polizei angewiesen, gleichzeitig können Videos inklusive Rohmaterial, etwa von Schlägereien, auch für die Ermittlungen der Polizei von Interesse sein. Dabei stellen sich allerdings Fragen rund um Personenschutz, Quellenschutz und Redaktionsgeheimnis.
So war denn auch das Panel breit aufgestellt, mit zwei Vertretenden der Medien, Barbara Lehmann vom Rechtsdienst SRF und Matthias Seemann vom Rechtsdienst der TX Group, sowie einem Vertreter der Polizei, dem Medienbeauftragten der Schweizer Polizeikorps, Adrian Gaugler. Schnell zeigte sich: Nicht immer decken sich die Erwartungshaltungen und Interessen.
Wie steht es zum Beispiel mit einem Video, das Schlägereien zwischen zwei Fussballfangruppen zeigt – muss die Redaktion das Video der Polizei integral zur Verfügung stellen für Ermittlungen? Grundsätzlich nein, denn sie kann sich auf den Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis berufen. Sowohl Matthias Seemann als auch Barbara Lehmann unterstrichen die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der Medienschaffenden: Medien sollen die Funktion als Watchdog bewahren und nicht als Erfüllungsgehilfen der Polizei walten. Medien hätten andere Aufgaben – mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, gehöre nicht dazu.
Aus gutem Grund: Würde eine Person aufgrund von herausgegebenem Rohmaterial oder weiteren Informationen durch das Medienhaus verhaftet werden, könnte dies das Vertrauen in die Medien schwächen. Doch wichtig zu wissen: Es gibt Ausnahmen. Es gibt gewisse Delikte, bei denen der Quellenschutz nicht greift. Zum Beispiel bei Mord und Totschlag mit der weiteren Voraussetzung, dass die Polizei den Fall nicht auf eine andere Art und Weise aufklären kann.
Wie sieht es bei Hausdurchsuchungen aus? Muss ein Journalist, eine Journalistin den Laptop und das Smartphone der Polizei zugänglich machen? Dies entscheidet letztendlich das Gericht. Die Polizei darf das Material lediglich sicherstellen. Medienschaffende sollten aber fordern – dies betonen sowohl Lehmann als auch Seemann –, dass das gesicherte Material nur versiegelt an die Polizei ausgehändigt und dass ein Sicherstellungsprotokoll verfasst wird. Erst das Gericht entscheidet über das Entsiegelungsgesuch, also ob Laptop und Smartphone eingesehen werden dürfen.
Ein letztes Fallbeispiel des Workshops: Dürfen Medienschaffende während Polizeieinsätzen filmen? Grundsätzlich ja, lautet die Antwort, denn auch wenn ansonsten beim Filmdreh das Persönlichkeitsrecht greift, so überwiegt hier das öffentliche Interesse.
Die Polizei muss Kameras somit dulden – sofern sich die Journalistinnen und Journalisten an die Regeln halten. Sie dürfen den Einsatz nicht behindern und sie dürfen keine Nahaufnahmen von Polizistinnen und Polizisten machen, bei denen diese erkennbar sind.
Die Polizei wiederum darf nicht verlangen, dass Aufnahmen gelöscht werden. Ein Punkt, an welchen Adrian Gaugler seine Polizistinnen und Polizisten manchmal auch erinnern muss. Aufnahmen einfordern, sollten sie als potenzielles Beweismaterial für Straftaten dienen, darf die Polizei aber. Auch hier gilt für Medienschaffende: Bei der Herausgabe von Video- und Filmmaterial auf einer Siegelung bestehen.
Auch wenn die gesetzliche Grundlage bei vielen Fällen klar ist, gibt es auch Bereiche, in welchen die Überlegungen im Hinblick auf eine gute Koexistenz auseinanderklaffen. So wäre es der Polizei zum Beispiel am liebsten, würden Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung über Demonstrationen als solche erkennbar sein – zu deren Schutz. Aber, so musste auch Adrian Gaugler lernen: Für Medienschaffende kann genau dieser Punkt durchaus ein zusätzliches Sicherheitsrisiko bergen, etwa, wenn sie über eine Anti-Corona-Demo berichten, bei welchen teilweise gezielt Medienvertretende angegriffen werden.
Solche Themen werden aktuell auch im Hinblick auf den Nationalen Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz (NAP) diskutiert, den das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) in enger Zusammenarbeit mit betroffenen Akteuren erarbeitet, wie der Klein Report berichtete. Dabei geht es nicht nur um physischen Schutz bei Demonstrationen, sondern auch um Schutz vor missbräuchlichen Gerichtsklagen, Schutz vor Drohungen und Hassrede im Netz sowie um eine bessere Anerkennung der Rolle und des Berufs der Medienschaffenden.
Der Aktionsplan soll voraussichtlich bis im Sommer 2023 veröffentlicht werden.