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Mittwoch
08.06.2022

Medien / Publizistik

Bundeskanzler Walter Thurnherr: «Es geht nicht darum, dass der Bundesrat seine Kompetenzen bei der Formulierung der Abstimmungsfrage schützen möchte...»           (Bild Screenshot parlament.ch)

Bundeskanzler Walter Thurnherr: «Es geht nicht darum, dass der Bundesrat seine Kompetenzen bei der Formulierung der Abstimmungsfrage schützen möchte...» (Bild Screenshot parlament.ch)

Unscheinbar, aber essenziell: Der Stimmzettel ist das Herzstück der politischen Kommunikation zwischen Demokratieverwaltung und Stimmbevölkerung.

Nun will der Nationalrat den Stimmzettel um eine Information erweitern. Und reisst einen Graben auf zwischen Regierung und Parlament.

Und zwar soll auf dem heiligen Zettel in Zukunft vermerkt werden, wenn es zu einem Geschäft einen indirekten Gegenvorschlag gibt - «rein informativ», wie es in dem Motionstext heisst.

Die Idee kommt von FDP-Nationalrat Marcel Dobler. In der Ratsdebatte am Dienstagnachmittag führte er als Beispiel die Pflege-Initiative an. «Wäre die Initiative abgelehnt worden, wäre der indirekte Gegenvorschlag direkt zur Anwendung gekommen. Die wichtige Information über die Existenz dieses Gegenvorschlags und die Auswirkungen einer Ablehnung fand man lediglich im Abstimmungsbüchlein», so der St. Galler Nationalrat.

Selbst wenn nur 10 Prozent der Wählerinnen und Wähler das Abstimmungsbüchlein nicht lesen würden, wäre für Dobler ein Hinweis auf dem Abstimmungszettel angebracht. «Es geht ja darum, den Wählerwillen bestmöglich abzubilden.»

Während sich der Nationalrat schliesslich mit 182 zu 1 hinter den Vorstoss stellte, will der Bundesrat den Stimmzettel so belassen, wie er ist. 

Zwar liess er sich im Nationalratssaal selbst nicht blicken, sondern schickte Bundeskanzler Walter Thurnherr. Das Argument des Bundesrats kam aber so grundsätzlich daher, wie es grundsätzlicher nicht sein könnte: die Verfassung.

Ein Hinweis auf dem Stimmzettel sei rechtlich und demokratiepolitisch problematisch, denn die Abstimmungsfrage habe «über die eindeutige Bezeichnung des zum Entscheid vorgelegten Erlasses hinaus keinen Informationsauftrag zu erfüllen. Sie hat insbesondere nicht auf alternative Regelungsansätze hinzuweisen, die wie im Fall des Gegenvorschlags nicht unmittelbar Gegenstand der Abstimmung sind», sagte der Bundeskanzler vor dem Plenum.

Schliesslich wäre es gemäss Bundesgericht auch unzulässig, ein entscheidendes Argument das für oder gegen eine Vorlage spricht, in die Abstimmungsfrage einzufügen. Dies könnte mit einem Querverweis der Fall sein, was Initiativkomitees nachteilig empfinden könnten.

«Es geht vorliegend also nicht darum, dass der Bundesrat seine Kompetenzen bei der Formulierung der Abstimmungsfrage schützen möchte», so Thurnheer weiter.

Das Geschäft geht nun an den Ständerat.