Das Bündnis rund um die rechtspopulistische Partei Fratelli d’ Italia hat gewonnen, Giorgia Meloni ist die neue Premierministerin Italiens.
Die Medien haben sich schon im Vorfeld mit Schwarzmalerei, dem drohenden Faschismus in Italien und dem Auseinanderfallen der EU befasst. «Bitte genauer hinsehen», meint die Politphilosophin Regula Stämpfli («Trumpism») exklusiv für den Klein Report, definiert einen neuen politologischen Begriff und fordert differenziertere Wahlanalysen.
Der Vater war Kommunist, die Mutter alleinerziehend, sie wuchs in einem Arbeiterviertel auf und wurde von den Grosseltern aufgezogen: Giorgia Meloni. Das Vorzeigegesicht der Faschisten, Rechtspopulisten und äusseren Rechten wird Italien nach einer sehr geringen Wahlbeteiligung neu führen. Interessanterweise machte ihre Kandidatur und das Rechtsbündnis fast mehr Schlagzeilen ausserhalb Italiens als innerhalb, wo man sich ständige Neuwahlen, wechselnde Regierungschefs und Instabilität seit Jahrzehnten gewohnt ist und trotzdem weiter existiert. Der «Corriere della Sera» nennt die Fratelli d’ Italia «centrodestra», Mitte-rechts, also ganz anders als die deutschen Medien, die durchwegs von der faschistischen und neofaschistischen Allianz sprechen.
Einmal mehr waren Skandalisierung, Verkürzung, Polarisierung und ein gutes Aussehen ein patentes Wahlrezept: Giorgia Meloni hat explizit Trumps Strategie von «Prominenz statt Politik» für ihren Wahlkampf gewählt: Wie ihre Politik wirklich aussieht, ist eigentlich unklar – «rechte Rebellin» meint dazu die deutsche «Tagesschau».
Meloni hat die lange Tradition der radikalen Rechten aufgenommen, die sich gerne linker Ästhetik und populärer Arbeiterslogans bedient. Die Kritik Melonis an Konsumismus, Entfremdung durch Globalisierung und Finanzoligarchie widerhallte deshalb weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus. Meloni präsentierte eine populäre Mischung all dieser Themen mit einem Schuss «Nationalfeminismus»: Sie inszeniert sich als Mutter, macht aus der Abtreibungsfrage Politpropaganda, führt einen sehr amerikanischen Wahlkampf und gibt den italienischen Faschisten und Rechtspolitikern ein weibliches Gesicht.
Die linke Friedrich-Ebert-Stiftung hat erst kürzlich eine Studie präsentiert und behauptet: Nun seien die Frauen diejenigen, die vor allem faschistisch, rechtsaussen und rechtspopulistisch wählen. Alles Humbug: Das Rechtsaussen-Bündnis ist von Kopf bis Fuss auf Männer ausgerichtet, die Nationalfeministin Meloni an der Spitze ändert nichts an dieser Geschlechterverteilung. Dass etwas mehr Frauen die Rechten wählen, hängt damit zusammen, dass a) Italien ein Frauenquoten-Listensystem eingeführt hat und b) in Italien insgesamt, also bei Männern und Frauen, ein grosses rechtspopulistisches Wählerpotenzial vorherrscht, und dies seit Jahrzehnten.
Mit Giorgia Meloni zieht also die erste «Nationalfeministin» in die Regierung eines EU-Mitgliedslandes ein; sie wird aufgrund der digitalisierten Politik-Mechanik auch nicht die letzte sein.
Was meine ich mit Nationalfeminismus? Nationalfeminismus ist die Sprechaktideologie der Rechten, die vorgibt, für Frauenrechte zu sein, dabei klassische faschistische, rechtsextreme und rechtspopulistische Stereotypen bedient, um «die Frau» vor «dem Fremden», dem Nicht-Nationalen zu schützen. Nationalfeminismus wird auch von Frauen verwendet, die als Faschistinnen, Rechtsextreme, Rechtspopulistinnen, von sich selber als «Feministinnen», «emanzipierten Frauen» sprechen und sich somit der Sprechakttheorie auch der Linken bedienen. Auch der Nationalsozialismus verknüpfte zwei Gegensätze, «national» und «Sozialismus». Beim Nationalfeminismus geht es nicht um Frauen, sondern um die Mobilisierung faschistischer, rechtsextremer und rechtspopulistischer Männer mit traditionellen Frauenbildern.
Frauen waren noch nie eine homogene Gruppe: Allein in der Diskriminierung ihres Geschlechts weisen sie Ähnlichkeiten auf. Neu entstanden sind mit der Digitalisierung die codierten Sprechakte, die eigene Ideologien konstituieren. Links operiert schon länger so (zum Beispiel LGBTQ*), nun gibt es also auch rechts aussen einen Nationalfeminismus, der Realität durch korrespondierende Sprechakte ausser Kraft setzen will.
Einen Trost zum Schluss: Es ist nicht anzunehmen, dass ausgerechnet diese Regierung, anders als alle vor ihr, die vorgesehenen fünf Jahre Amtszeit überstehen wird.