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Dienstag
09.05.2023

Medien / Publizistik

Ein paar Passagen im Untersuchungsbericht sind für die Öffentlichkeit geschwärzt. Der Rest ist juristisch korrekt - und dementsprechend wenig angriffig...       (Screenshot Bericht)

Ein paar Passagen im Untersuchungsbericht sind für die Öffentlichkeit geschwärzt. Der Rest ist juristisch korrekt - und dementsprechend wenig angriffig... (Screenshot Bericht)

Bei einer Untersuchung von Sonderstaatsanwalt Peter Marti zu den vermeintlichen Crypto-Indiskretionen von Peter Lauener, dem damaligen Leiter Kommunikation des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) von Bundesrat Alain Berset, ist «zufällig» auch der Mail-Verkehr zwischen Peter Lauener und Ringier bekannt geworden.

Die Publikation der Mails rund um die Corona-Entwicklungen hat damals Marc Walder von Ringier zur Zielscheibe der Konkurrenz-Medien gemacht. Diese gaben sich benachteiligt, weil sie über keinen solchen «direkten Draht», manche sprachen gar von Standleitung, ins Bundeshaus verfügten.

Jetzt wurde ein Bericht des Rechtsdienstes des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) veröffentlicht, der über eine «formlose Untersuchung» zu den damals eventuell unrechtmässigen Vorkommnissen Rechenschaft ablegt. Datiert ist der Bericht vom 3. April 2023.

«Wurden bei der Anfrage von Sonderstaatsanwalt Marti betreffend die Herausgabe von E-Mails mehr Informationen geliefert, als rechtlich geboten gewesen wäre?», lautete eine entscheidende Frage an das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) bei dieser Untersuchung.

Die Antwort des Rechtsdienstes EFD: «Indem das BIT die gesamte Mailbox von Peter Lauener herausgegeben hat, hat es Sonderstaatsanwalt Marti deutlich mehr Informationen geliefert, als von diesem verlangt wurden. Eine Aussonderung der verlangten Elemente wäre technisch möglich und rechtlich zulässig gewesen. Eine Herausgabe der gesamten Mailbox war damit weder geboten noch zulässig.»

Wurden durch die Herausgabe der E-Mails Vorschriften oder Rechte des Betroffenen und allenfalls Dritter verletzt?

«Die Herausgabe der gesamten Mailbox ohne entsprechende Editionsverfügung verstiess gegen die Regeln des Datenschutzgesetzes und verletzte damit die Persönlichkeitsrechte von Peter Lauener sowie allenfalls von Drittpersonen (bspw. Mailempfänger), deren Daten sich in den zusätzlich herausgegebenen Mails befanden», heisst es über den «Beifang», wie ihn die NZZ genannt hat.

Die obigen Antworten stehen erst an einer hinteren Stelle des Berichts. Vorher wird mehr oder weniger plausibel erklärt, dass es gar nicht so einfach sei, bei der Herausgabe einer Mailbox die für eine Untersuchung relevanten Chats bereits vor der Herausgabe sortieren zu können. Man könnte es manuell machen. Aber nach welchen Kriterien?

Wörtlich: «Das BIT begründete die Herausgabe der gesamten Mailboxen damit, dass für eine Aussonderung der E-Mails des gewünschten Zeitraumes Einblick in die Mailbox hätte genommen werden müssen. Dazu sei das BIT nicht befugt. Zudem sei die forensische Auswertung der Mailboxen nicht Sache des BIT, sondern der Strafverfolgungsbehörden.»

Ansonsten sind im Bericht mehrere Stellen geschwärzt. Im Anschluss an das nicht mehr Lesbare heisst es aber: «Eine Interessensabwägung oder eine Prüfung des BIT, ob der Herausgabe überwiegende Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen könnten, ist nicht dokumentiert. Gemäss der zum Zeitpunkt der Herausgabe vorgesehen Prozesse waren im Fall Marti / Lauener die mit der Herausgabe beauftragten Personen informiert.»

Aufgrund von Medienberichten sei vorübergehend auch die Frage im Raum gestanden, ob im Fall Marti / Lauener «aus insbesondere politischen Motiven eine Anweisung der damaligen Departementsführung erfolgte, mehr Informationen herauszugeben, als in der Editionsverfügung verlangt wurden».

Im Bericht der Untersuchung heisst es dazu: «Abklärungen bei möglichen involvierten Personen im BIT und Generalsekretariat EFD im Vorfeld dieser Untersuchung ergaben keine Anhaltspunkte für eine solche Weisung. Sowohl das BIT als auch das GS-EFD verneinten übereinstimmend die Existenz einer solchen Weisung.»

Diese Aussage decke sich mit den Feststellungen in der vorliegenden Untersuchung. «Das BIT verzichtete durchgängig auf eine Aussonderung der auf den verlangten Zeitpunkt entfallenden Elemente einer Mailbox. Die Herausgabe im Fall Marti / Lauener entsprach der in den anderen untersuchten Fällen geübten Praxis.»

Glücklich über diese Praxis ist man inzwischen aber nicht mehr. Deshalb wurde eine Analyse erstellt und ein Vorgehensvorschlag für die Zukunft festgehalten. Eine Anpassung der Praxis für die Herausgabe werde aber nach Angaben des BIT erst erfolgen, wenn die Resultate der detaillierten Abklärungen eines internen Audits und dieser Untersuchung vorliegen. Das BIT erachte es nicht als sinnvoll, den Prozess jetzt anzupassen, ohne die rechtliche Abklärung abgeschlossen zu haben.

Hat die «formlose Untersuchung» jetzt Auswirkungen auf die Strafuntersuchungen gegen Peter Lauener?

Die Antwort des Rechtsdienstes EFD: «Die Frage, wie sich die Herausgabe von nichtverlangten Informationen auf die Strafuntersuchung ausgewirkt hat, ist für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Informationsherausgabe nicht relevant und war deshalb auch nicht Gegenstand des Untersuchungsauftrags.»

Und ähnlich tönt es in eigener Sache: «Die Beurteilung, ob Mitarbeitende des BIT durch die Herausgabe von E-Mails die ausserhalb des verlangten Zeitraums das strafrechtlich geschützte Amtsgeheimnis verletzt haben und ob allenfalls Rechtfertigungsgründe vorliegen, kann nicht im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Untersuchung vorgenommen werden. Dies wäre gegebenenfalls in einem Strafverfahren zu prüfen. Da der ausserordentliche Staatsanwalt Marti, wie aus einem Schreiben an das BIT hervorgeht, festgestellt hat, dass ‘weit mehr Daten geliefert wurden als verlangt’, kann davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt den Strafverfolgungsbehörden bekannt ist und diese, sofern aus ihrer Sicht angezeigt, ein Verfahren eröffnen würden. Auf eine Strafanzeige kann deshalb verzichtet werden.»

Und noch ein schöner Schlusssatz, findet der Klein Report: «Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass dieses Vorgehen in einer bewussten Rechtsverletzung begründet war, sondern vielmehr auf einer fehlerhaften Einschätzung der Rechts- und Sachlage fusste.»

Die Schaffung einer Rechtsgrundlage, welche den Umgang mit Editionsverfügungen explizit regelt, sei somit zu prüfen.