Präzis wie ein Uhrwerk. Schweizer Chronographen sorgen an Olympischen Spielen seit Jahrzehnten für Transparenz.
Für Augustinus war sie eine Illusion, für Immanuel Kant eine Kopfsache. Die meisten Menschen rennen ihr hinterher – und sind sich einig: Sie ist kostbar.
An den Olympischen Spielen trennt sie Sieger von Verlierern: Die Zeit. Und das Beste vorweg: Sie ist in Schweizer Hand.
Seit 91 Jahren wachen helvetische Chronographen über den olympischen Sekundenschlag. In Paris sorgen in allen 329 Disziplinen Hochpräzisionsinstrumente der Firma Omega für Transparenz.
Dass die Schweizer Uhrenindustrie trotz allen Angriffen aus Japan und Deutschland das olympische Zeitmonopol verteidigen und den Vertrag bis zu den Sommerspielen 2032 verlängern konnte, ist ein Gütesiegel der Extraklasse.
Wenn – wie im 100-Meter-Final der Männer – Tausendstelsekunden über den Sieg des US-Amerikaners Noah Lyles entscheiden, verträgt es keine Halbheiten.
Diese Tatsache brachte die japanische Firma Seiko an den Sommerspielen 1992 in Barcelona in Erklärungsnotstand – als nach dem Schwimmwettkampf über 100 Meter Freistil plötzlich drei Resultatversionen kursierten.
Die von Omega gestellten Schweizer Uhren laufen präziser – und sie werden immer präziser. An den Olympischen Spielen weisen die Messgeräte eine Frequenz von 26 Millionen Schwingungen pro Sekunde aus. Zum Vergleich: Der Quarz einer handelsüblichen Swatch schwingt 25‘000 Mal pro Sekunde.
Heute liesse sich die Zeit auf eine Millionstel-Sekunde berechnen. Dass dies nicht gemacht wird, liegt an den Reglementen der Verbände.
In den meisten Wettkämpfen gelten Hundertstelsekunden als kleinste Einheit – so auch im Skisport, wo Dominique Gisin an den Winterspielen 2014 in Sotschi Abfahrtsgold mit Tina Maze teilte. In anderen Wintersportarten wie Schlitteln oder Eisschnelllaufen dagegen sind es Tausendstelsekunden.
Um im Eisschnelllauf den Sieger oder die Siegerin zu ermitteln, lässt der Zielfilm keinen Interpretationsspielraum zu: Er liefert 10‘000 Bilder für die letzte Sekunde. Ein «totes Rennen» ist in diesem Sport ebenso wenig möglich wie in der Leichtathletik.
Auch im Schwimmsport wurde dieselbe Lösung angestrebt – doch die Praxis spricht dagegen. Ein Tausendstel entspricht 1,7 Millimetern – und wer garantiert schon, dass jede Bahn auf den Millimeter genau gleich lang ist?
So oder so: Die Entwicklung der Zeitmessung im Spitzensport ist ein Spiegel des technischen Fortschritts. 1932, an den Olympischen Spielen in Los Angeles, waren für die Zeitmessung 30 Stoppuhren und ein Uhrmacher nötig; 1948 in London sechs Personen und 600 Kilogramm Material.
76 Jahre später in Paris stehen 550 Zeitnehmer sowie 900 zusätzliche Helfer im Einsatz. 350 Tonnen Material hat man aus der Schweiz nach Paris gebracht, mehr als 200 Kilometer Kabel verlegt. Vier Back-up-Systeme sowie eine alternative Stromversorgung sorgen bei einem Systemabsturz dafür, dass die Zeit nicht aus dem Ruder läuft.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die elektronische Zeitmessung an Olympischen Spielen noch relativ jung ist. Erst 1968 in Mexiko wurde vom Handstopp-Verfahren abgekehrt – weil zur Eruierung der acht Zeiten beidseitig 24 Zeitnehmer auf einer Treppe bei der Ziellinie postiert waren, aber die Medien auf einem übersichtlichen Einlauf bestanden: Das Fernsehen wollte beim Finish Athleten zeigen – nicht Zeitnehmer.
Bei den Sportlern stiess diese Neuerung auf wenig Begeisterung. Denn handgestoppte Zeiten sind im statistischen Durchschnitt 0,2 Sekunden besser als die elektronisch gelieferten Werte.
Heute ist das Vertrauen in die moderne Technik quasi eine Grundlage des Spitzensports. Nicht nur Hundertmeter-Olympiasieger Noah Lyles ist froh, dass sich die Zeiten geändert haben.