Die Mitarbeitenden der Tamedia AG wenden sich in einem offenen Brief an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat ihres Unternehmens. Sie protestieren damit gegen den am 26. Juni angekündigten Abbau von 140 Stellen im Zeitschriftenbereich und die Schliessung der Akzidenz-Rollenoffset-Druckerei ARO an der Baslerstrasse. Im Auftrag einer Betriebsversammlung traten am 4. Juli die Verbände und Gewerkschaften comedia, SVJ und KV Schweiz mit der Tamedia in Verhandlungen, teilte die comedia am Donnerstag mit. Die Mitarbeitervertetungen betonten, sich für den Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen einzusetzen und schlugen die Erarbeitung von Arbeitszeitmodellen und die Revision der Einstellungsentscheide vor. Gleichzeitig forderten sie den Verlag auf, für die Dauer der Abklärungen während einigen Monaten die Kündigungen auszusetzen.
Die Tamedia-Leitung habe zugesagt, die Vorschläge ernsthaft zu prüfen. Doch die comedia sieht keine Resultate. Deshalb beklagt sie, dass nach «nicht einmal zwei Wochen Verhandlungszeit die Gewerkschaften und Verbände einen Sozialplan unterzeichnen sollten, der in seinen Leistungen weit hinter den üblichen Standards zurückliegt und dem Verlag freie Hand für die Kündigungen lassen soll». Andernfalls würde die Tamedia die Verhandlungen abbrechen.
Dieses Vorgehen lassen sich auch die Mitarbeiter nicht gefallen. Die Belegschaft wandte sich nun «mit Enttäuschung und wachsendem Unmut» in einem offenen Brief und einer betriebsinternen Unterschriftensammlung an die Geschäftsleitung: Die Tamedia-Verantwortlichen hätten bisher in keiner Art und Weise eine substantielle Bereitschaft gezeigt, ernsthaft Massnahmen zu prüfen, um die durch die Pläne der Geschäftsleitung von Abbau bedrohten Arbeitsplätze zu erhalten. Im Brief werden folgende Forderungen gestellt:
- sofortige Aufnahme der Diskussion über den langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen und Medienerzeugnissen,
- Aufrechterhaltung der Abteilung Akzidenzrollenoffset, vorläufig mit den bisherigen Maschinen und Garantien für die notwendigen Ersatzinvestitionen,
- langfristige Weiterführung der Tamedia-eigenen Druckvorstufe
- Herausgabe von «du» und «Spick» bei gleich bleibendem Personalbestand zu garantieren
- Eigenständige Weiterführung von «annabelle wohnen» bei gleich bleibendem Personalbestand oder Integration in das
«annabelle»-Hauptheft (Arbeitszeitmodelle)
- Integration der betroffenen Tamedia-Angestellten von «annabelle business» in andere Tamedia-Verlagsprodukte
- Weiterführung der Lehrlingsausbildung für PolygrafInnen auch nach 2007.
Ferner fordern die Angestellten einen «mehrmonatigen Kündigungsstopp», um «in Ruhe und seriös alle diese Massnahmen prüfen und diskutieren zu können». Bei der Tamedia zeigt man sich überrascht, über die Forderungen der Gewerkschaften: «Wir sind in sehr intensiven Verhandlungen mit den Gewerkschaften. Die Vorschläge, die Tamedia gemacht hat, gehen weit über die in den GAV definierten Leistungen hinaus», sagte Franziska Hügli, Pressesprecherin der Tamedia, dem Klein Report am Donnerstag auf Anfrage. Vier Punkte seien für die Tamedia bei der Ausgestaltung der Sozialpläne zentral gewesen: Einhalten der GAV, die Berücksichtigung von Branchenlösungen, das Verfolgen der Tamedia-Geschichte und der Aspekt wirtschaftlicher Möglichkeiten.
Zum Vorwurf der Gewerkschaften, die Tamedia übe bei den Verhandlungen Zeitdruck aus, meint Hügli: «Es war uns wichtig, die Verhandlungen zügig voran zu bringen. Wenn man Mitarbeiter entlässt, muss man ihnen bei der Entlassung sagen, welche Leistungen sie erwarten können.» Zudem prüfe die Tamedia im Rahmen der Konsultationsverfahren noch immer Vorschläge zur Vermeidung von Kündigungen. «Wir werden nächste Woche den Mitarbeitenden persönlich Bescheid geben», sagt Hügli. Der Klein Report bleibt dran. . . Siehe auch: Tamedia stellt zwei Zeitschriften ein und baut 140 Stellen ab
Donnerstag
17.07.2003