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Mittwoch
09.11.2016

Medien / Publizistik

Wer mit der Nazikeule schwingt, muss Gelegenheit zur Stellungnahme geben, findet der Presserat. Die «Obersee Nachrichten» in Rapperswil haben im März 2016 mit den Artikeln «Panzer-Fan und Nazidunst in Uznach» sowie «Uznach: Kandidat Müller und seine Nazi-Panzer-Schriften» den Journalistenkodex verletzt.

Laut Presserat hätte die Redaktion Peter Müller, der ums Präsidium in der St. Gallischen Gemeinde kandidierte, «zwingend» mit dem impliziten Vorwurf, er tummle sich in einem Nazi-Umfeld, konfrontieren müssen. Weil Müller dazu nicht Stellung nehmen konnte, heisst der Presserat dessen Beschwerde in diesem Punkt gut.

Wichtig ist dem Rat aber auch: «Es gehört zu den Aufgaben einer freiheitlichen Presse, für Aufklärung zu sorgen - gerade wenn es um Bewerber für ein öffentliches Amt geht.» Wenn die «Obersee Nachrichten» den Hintergrund eines Kandidaten für das Vollamt eines Gemeindepräsidenten ausleuchteten, so machten sie nichts anderes, als was eine freiheitliche Gesellschaft von ihnen als «public watchdog» erwarte.

Anfang März 2016 beleuchteten die «Obersee Nachrichten» den Hintergrund von Müllers Verlag: Müller versammle «eine seltsame Truppe von Autoren». Von seinen Autoren aus dem Nazi-Umfeld habe sich der Verleger nie distanziert. «Welche Bücher der Militärschriften-Verlag des Kandidaten Müller herausgibt, war für die Stimmberechtigten von Bedeutung, ein öffentliches Interesse für die Artikel habe es gegeben», schreibt der Presserat in seiner am Dienstag veröffentlichten Begründung.

Peter Müller klagte beim Presserat: Zwar hätten ihn die «Obersee Nachrichten» nicht ausdrücklich als «Nazi» bezeichnet, doch werde ihm diese Haltung unterstellt. Der Verleger beschwerte sich, dass er vor der Veröffentlichung nicht Stellung nehmen konnte. Aus Sicht der «Obersee Nachrichten» war eine Stellungnahme nicht nötig, weil sich die Artikel auf offiziell verfügbare Informationen von Müllers Website abgestützt hätten.

Für den Presserat wiegt der implizite Nazi-Vorwurf zu schwer, als dass er ohne Rückfrage beim Betroffenen abgedruckt werden darf: «Wenn jemandem vorgeworfen wird, er publiziere in seinem Verlag Autoren aus dem Nazi-Umfeld, von denen er sich überdies nie distanziert habe, dann wird ihm eine besondere Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut unterstellt, es wird eine Nazinähe suggeriert. Dasselbe gilt für den Vorwurf des Nazi-Dunstes, welcher im Titel auf der Frontseite erhoben wird.» Zu diesem schweren Vorwurf hätte Müller «zwingend» angehört werden müssen, entschied der Presserat.

Etwas rechthaberisch pochten die «Obersee Nachrichten» nach der Veröffentlichung des Presseratsentscheides auf ihre Meinung, «dass mit der öffentlich zugänglichen Webseite Müllers Standpunkt genügend berücksichtigt worden ist», wie Redaktor Mario Aldrovandi am Dienstagnachmittag «in eigener Sache» in die Runde mailte.

Die übrigen Vorwürfe von Müller, die Berichte in den «Obersee Nachrichten» seien «entstellend» und gespickt mit «nicht gerechtfertigten Anschuldigungen», lehnte der Presserat ab.