In einem Livestream hat die Schwedische Akademie am Donnerstag über Mittag die Gewinnerin des Nobelpreises für Literatur bekannt gegeben.
Dieser geht 2022 an Annie Ernaux. Die französische Autorin wurde bereits im Vorfeld als mögliche Gewinnerin gehandelt.
Als weitere Kandidaten galten der britisch-indische Autor Salman Rushdie, Ngugi wa Thiong’o aus Kenia, Haruki Murakami aus Japan, Jon Fosse aus Norwegen und die in Antigua geborene Jamaica Kincaid. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den in Tansania geborenen Abdulrazak Gurnah.
Annie Ernaux gilt als «Urmutter der Autofiktion». Sie bezeichnete sich einmal als «Ethnologin ihrer selbst». Die 1940 geborene Französin erzählt von der eigenen Familie, ihrem Bildungsaufstieg, ihrer Abtreibung. Nahezu nebenbei verwebt sie das Autobiografische mit Analysen über Klassenschranken und das Patriarchat. Ihre eigene Geschichte dient ihr als Untersuchungsgegenstand und verdeutlicht so, dass gerade der trivial anmutende Alltag oft hochpolitisch ist.
Mit ihrem Roman «Les Années» wurde sie in Frankreich 2008 bekannt, die deutschsprachige Übersetzung erschien erst 2017. Seitdem sei Ernaux auch im deutschsprachigen Raum aus dem literarischen Diskurs «nicht mehr wegzudenken», wie sich die Kritik einig ist.
Ihr Werk «Das Ereignis» erzählt fast autobiografisch von einer ungewollten Schwangerschaft und der folgenden Abtreibung einer jungen Literaturstudentin im Frankreich der 1960er-Jahre. Die Geschichte wurde von Audrey Diwan verfilmt. Sie hat damit im vergangenen Jahr den Goldenen Löwen des 78. Filmfestivals von Venedig gewonnen.
Annie Ernaux ist erst die 17. Frau, die den Preis bekommt. Dieser ist mit umgerechnet 920'000 Euro datiert.