Ein abgemagerter und äusserst unsympathischer Jake Gyllenhaal filmt einen blutigen Unfall, er geht möglichst nahe ran mit seiner Kamera, will den Blick des Opfers in dem Moment einfangen, in dem es stirbt. Er verkauft das Video an die opportunistische Newschefin der Nachtschicht eines TV-Senders. Mit viel Drama, gespieltem Ekel und Lust am Voyeurismus werden die Sensationsbilder in den Morgennachrichten dem TV-Publikum zum Frühstück serviert.
«Nightcrawler», der neue Film von Dan Gilroy ist sehr düster - und das liegt nicht nur daran, dass er fast ausschliesslich in der Nacht spielt. Der Film wirft einen gnadenlosen Blick auf den Sensationsjournalismus in den USA, wo möglichst blutige Bilder dazu benutzt werden, Zuschauer anzuziehen, und wo die Quotenjagd jegliche Ethik vergessen lässt.
«Jake hat einen Charakter, der auf einem Koyoten basiert», erklärte Regisseur Dan Gilroy im Anschluss an die Europapremiere von «Nightcrawler» auf der Bühne des Zürcher Kinos Corso. «Das war auch der Grund, warum er für die Rolle 13 Kilo abgenommen hat», so Gilroy.
Mit seinem eingefallenen Gesicht und seiner soziopathischen Art wirkt Gyllenhaal furchterregend. Aber er entlockt dem Publikum am Zurich Film Festival auch einige Lacher, so absurd wirken sein Handeln und seine Vorträge über Geschäftsmodelle.
Auch die Dreharbeiten seien manchmal absurd gewesen, verriet Rene Russo, die im Film die verzweifelte Newschefin Nina spielt, die dem Nightcrawler seine blutigen Videos abkauft. «In der Szene, in der ich mit Jake im Restaurant sitze, ging es beim Spielen darum, wer die Oberhand hat. Am Schluss war ich das», lachte sie.
Ihre Figur sei sehr verzweifelt, interpretierte sie. «Sie hat Angst um ihren Job und ist unter Druck. Es hat Spass gemacht, das zu spielen.»
In ihrer Jagd um Quoten, von dem ihr Job abhängt, kauft Nina dem Nightcrawler jedes Video ab und ihre Faszination für die immer blutigeren Bilder steigert sich. Während der Chefredaktor sich anfangs noch versucht einzumischen und von Moral und Ethik spricht, steht er am Schluss nur noch ungläubig im Hintergrund. Längst haben die Quoten für sich gesprochen.
«Ich würde nie etwas von euch verlangen, was ich nicht auch selbst tun würde», meint der Nightcrawler am Schluss des Filmes zu seinen neuen Mitarbeitern. Doch nachdem das Publikum herausgefunden hat, was er alles tun würde, schütteln beim Abspann einige ungläubig den Kopf.