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Mittwoch
14.08.2013

Medien / Publizistik

Der Schweizer Presserat verurteilte die «Nidwaldner Zeitung», weil sie unter dem Titel «240 Stunden Arbeit als Strafe» über ein Urteil des Kantonsgerichts Nidwalden so detailliert berichtet hatte, dass der Verurteilte für viele erkannt werden konnte. Was ist in diesem konkreten Fall wichtiger, Persönlichkeitsschutz oder öffentliches Interesse?

Beim Verurteilten handelte es sich nicht um einen kleinen Fall. Denn ein «eingebürgerter Marokkaner» habe die Sozialhilfebehörde laut der Staatsanwaltschaft «arglistig über seinen tatsächlichen Aufenthalt in Hergiswil mit einem gefälschten Mietvertrag getäuscht», worauf ihm die Behörde rund 5000 Franken zu viel ausbezahlt habe.

In einem Kasten stand der Werdegang des «54-jährigen Hergiswilers», der seit 30 Jahren in der Schweiz lebt. Als Kellner und Gastronom habe er sich einen Namen in renommierten Betrieben gemacht und später eigene Gastrobetriebe geführt. Als er arbeitslos wurde, sei er in der Sozialhilfe gelandet.

Als Hergiswil gemerkt habe, dass er mit gefälschten Quittungen zu viel Sozialhilfe bezog, habe sie Strafanzeige eingereicht. Zudem sei dem Verurteilten der Führerausweis entzogen worden. Trotzdem fuhr er weiter und baute zwei Verkehrsunfälle, einen davon mit 2,81 Promille. Ferner habe er gegen das Waffengesetz verstossen, heisst es im Artikel vom 16. August 2012.

Der Anwalt des Verurteilten beschwerte sich beim Schweizer Presserat, die Bevölkerung des Kantons Nidwalden könne ihn aufgrund dieses Textes identifizieren. Der Anwalt der «Nidwaldner Zeitung» hingegen beantragte, die Beschwerde abzulehnen, da ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung bestanden habe.

Gemäss Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten» haben Medienschaffende die Privatsphäre einzelner Personen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Eine mit Namen identifizierende Berichterstattung sei zulässig, «sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht».

Dies sei in diesem Beispiel nicht der Fall, urteilte der Schweizer Presserat am 12. Juli, der das ausformulierte Urteil nun freigab. Auch sei dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht Rechnung zu getragen worden, hält der Presserat fest.