Der Ständerat will nicht, dass der Bundesrat unter die Lupe nimmt, ob der strittige Artikel 47 des Bankengesetzes die Pressefreiheit womöglich zu stark einschränkt – wie es im Zusammenhang der «Suisse Secrets»-Enthüllungen im In- und Ausland kritisiert worden ist.
Eine entsprechende Motion, die von Nationalrat und Bundesrat bereits angenommen worden war, hat die Kleine Kammer am Donnerstag beinahe einhellig versenkt.
Doch damit nicht genug. Über der Bundeshauskuppel braut sich schon die nächste Wolke zusammen, die journalistische Recherchen und Enthüllungen künftig behindern könnte.
Als nämlich die ständerätliche Wirtschaftskommission die besagte Motion Mitte Oktober vorberiet und sie ihrem Rat oppositionslos zur Ablehnung empfahl, hat sie als Alternative auch gleich noch ein eigenes Postulat lanciert. Dies, weil sie der Meinung war, dass die «Diskussion rund um die Problematik der Strafbarkeit der Veröffentlichung illegal erworbener Daten ausgeweitet werden soll», wie das Kommissionssekretariat im Oktober in aller Kürze mitteilte.
Bei der Journalistenvereinigung investivativ.ch ahnt man derweil nichts Gutes: «Das Postulat wurde von der Wirtschaftskommission als Alternativvorschlag zur Motion eingereicht, geht in unseren Augen aber in die umgekehrte Richtung. Statt die Pressefreiheit in Finanzplatzfragen zu stärken, wie es das Ziel der Motion gewesen war, würde mit diesem Postulat die Einschränkung der Pressefreiheit auf weitere Sektoren ausgeweitet», sagt Geschäftsführerin Eva Hirschi auf Nachfrage des Klein Reports.
Doch was genau fordert das Postulat, gegen das sich eine breite Medienallianz formiert hat und gegen das rund 600 Medienschaffende per offenem Brief Stellung bezogen haben?
Das Postulat will einen Bericht vom Bundesrat, in dem er aufzeigt, «wie der gesetzliche Schutz sensibler persönlicher Daten vor Veröffentlichungen dieser Daten durch soziale und private Medien verbessert werden kann und gleichzeitig einem legitimen öffentlichen Interesse der Aufklärung von systematischen Gesetzesverletzungen Rechnung getragen werden kann».
Im Kern geht es dem Postulat darum, dass der Bundesrat prüft, ob die Veröffentlichung von «einst rechtswidrig erhaltener oder erworbener Personen- oder anderer sensibler Daten» künftig bestraft werden soll.
Immer öfter kämen heikle Informationen auf illegalem Weg in den Besitz von Dritten, zum Bespiel durch Cyberangriffe oder «Diebstahl durch Mitarbeiter». Eine «öffentliche Vorverurteilung» möchte das Postulat künftig verhindern.
Allerdings sind Datenlecks und Whistleblower – die in der Schweiz, anders als in anderen Ländern, vom Gesetz kaum geschützt sind – wichtig Informationsquellen für journalistische Entüllungen über Missstände und Skandale.
«Das Problem von Art. 47 des Bankengesetzes, welcher die Bankgeheimnispflicht faktisch von Bankangehörigen auf Journalistinnen und Journalisten ausweitet, wäre damit nicht gelöst», sagt Eva Hirschi weiter zur Forderung des Postulats.
«Mehr noch: Es würde ein neuer Missstand geschaffen. Medien könnten nicht mehr straffrei über geheime Informationen berichten. Medienrechtler und -rechtlerinnen gehen davon aus, dass Journalistinnen und Journalisten künftig nur noch mit Daten recherchieren dürften, die der Datenherr freigibt. Doch oft geraten Missstände erst ans Licht, weil Whistleblower Belege an die Medien unter der Hand weitergeben.»
Das sehr allgemein formulierte Postulat wird an einer Stelle etwas konkreter: «Sollte ein Unternehmen systematisch gegen Recht verstossen (zum Beispiel Verstoss gegen das Korruptionsverbot oder ein systematischer Verstoss gegen die Geldwäschereigesetzgebung), dann besteht ein öffentliches Interesse, davon generell Kenntnis zu haben, jedoch nicht ein öffentliches Interesse an den illegal erworbenen persönlichen Daten.»
Für Eva Hirschi kommt das einer Missachtung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit gleich: «Medien müssen aber konkrete Missstände aufdecken können, nicht nur ein systematisches Vergehen», so die investigativ.ch-Geschäftsführerin gegenüber dem Klein Report.
Auch der Bundesrat lehnt das Postulat ab. Nicht ausdrücklich deshalb, weil er sich um die Pressefreiheit sorgen würde, sondern weil er die bestehende Rechtslage für ausreichend hält.
Das hatte er bereits vor geraumer Zeit klar gemacht. In Beantwortung der Motion «Es ist wichtig, die Hehlerei mit digitalen Daten zu bestrafen» vom Dezember 2022 lehnte es der Bundesrat nämlich ab, die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter eine neue Strafnorm zu stellen – ähnlich dem Hehlereiverbot im Strafgesetzbuch, wie es die damalige Motion verlangte.
Materielle Dinge und virtuelle Daten seien zwei Paar Schuhe, hielt der Bundesrat dagegen. Das Hehlereikonzept aus der physischen Welt könne nicht einfach ins Digitale verlängert werden.
In seiner Antwort auf das jüngste Postulat weist der Bundesrat ausserdem darauf hin, dass Strafgesetzbuch und Datenschutzgesetz bereits «Konstellationen» erfassen würden, in denen die Veröffentlichung bestimmter Daten (durch soziale oder private Medien, aber auch generell) verboten sind. Eine eigene Strafnorm sei demnach also nicht nötig.
Und schliesslich will der Bundesrat kein neues Strafregelwerk, weil immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden müsse. Die Frage, in welchen Fällen illegal erlangte Informationen veröffentlicht werden dürfen und wann das private Interesse an Geheimhaltung überwiegt, sei «nicht pauschal und abstrakt» zu beantworten. Die Interessenabwägung, die das heute geltende Recht hier vorsieht, sei der richtige Ansatz.
«Ziel des Postulats ist der Schutz sensibler persönlicher Daten. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten und sensiblen Daten ist den Medienschaffenden ebenfalls ein Anliegen. Der Pressekodex sieht diesbezüglich klare Pflichten vor. Journalistinnen und Journalisten müssen das überwiegende öffentliche Interesse sorgfältig abwägen und dürfen nur relevante Informationen publizieren», bringt Hirschi in Erinnerung, was unter der Bundeshauskuppel gelegentlich in Vergessenheit gerät.