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Sonntag
04.11.2018

Medien / Publizistik

Statt über Politik wird über Satire diskutiert

Statt über Politik wird über Satire diskutiert

2010 soll gemäss der Wochenzeitung «Der Freitag» der jüdische Komiker Oliver Polak «ironisch» von drei Kollegen von der Bühne gejagt worden sein. Nachdem «der Jude» verschwunden war, holte einer der Comedians ein Desinfektionsmittel hervor und besprühte die Hände derjenigen, die «dem Juden» die Hand gegeben hatten.

So wird die Szene im Buch «Gegen den Judenhass» von Oliver Polak ohne Namensnennungen beschrieben. Wie «Der Freitag» jedoch recherchierte, gibt es sogar ein Video dieser «Komik», und siehe da: Jan Böhmermann ist entlarvt. Die Geschichte wird Topthema: Die «Süddeutsche» zieht nach und «Die Zeit» macht die Story zum grossen Aufhänger, ohne aber den Erstartikel von Stefan Niggemeier im «Freitag» zu zitieren, was in der Branche für erheblichen Unmut sorgt.

Auch der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk greift das Thema am 31. Oktober auf. Und zwar mit Adam Soboczynski («Die Zeit»), der den fragenden Journalisten Julius Stucke bei jeder kritischen Frage sehr aggressiv zurückweist. Tenor des Interviews: Satire darf alles. Aber 2018 nicht mehr. Denn jetzt gibt es schliesslich die rechtsextreme AfD.

Der Antisemitismus, den Oliver Polak drastisch und eindrücklich schildert, geht angesichts der Bepöbelung unter den beteiligten Journalisten selbstverständlich unter. Dabei verdiente es gerade dieses Thema, breit diskutiert zu werden, und nicht, ob man Jan Böhmermann Antisemitismus vorwerfen darf, soll, muss, kann, will, ob dies zutrifft, was dies heisst und wer noch alles an dieser Diskussion beteiligt ist. 

Statt eine Politik- wird also wiederum eine Satirediskussion geführt. Die Episode weist auf die grosse Nervosität einer Branche und deren Akteure hin.