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Sonntag
04.05.2003

Trotz der Verkaufsrekorde von Promi-Biografien und hoher Einschaltquoten im TV-Boulevardbereich: Nur wenige Deutsche geben zu, am Privatleben von Prominenten interessiert zu sein. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts polis (München) im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur dpa. Nur 13 Prozent der Bevölkerung gibt danach zu, sich für das Privatleben von Prominenten zu interessieren. Am vergleichsweise grössten ist das Interesse noch bei Frauen (19 Prozent), den 14- bis 19-Jährigen (20 Prozent) und den 20- bis 29- Jährigen (18 Prozent). «Hier liegt offensichtlich ein Voyeurseffekt vor», sagte Claus Grimm von polis am Sonntag vor den Medien.

Eine andere Erklärung hat der deutsche Kommunikationswissenschaftler Joachim Westerbarkey: «Das Interesse ist da, aber kaum jemand bekennt sich dazu.» «Nach aussen hin haben sich alle über die Affäre des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton mit einer Praktikantin entrüstet. Gleichzeitig wollten sie jedes Detail wissen. Hier wird die moralische Doppelbödigkeit der Gesellschaft deutlich, vielleicht sogar der heimliche Wunsch, so etwas selbst einmal zu erleben», meinte der Professor von der Universität Münster. Jeder Zweite (56 Prozent) gab in der Studie an, sich nicht für Medienberichte über Prominente zu interessieren.

Geschichten über Prominente erfüllten im Medienzeitalter zunehmend Klatschfunktionen. «Da bekommen die Menschen etwas geboten, über das sie sich mit anderen gut unterhalten können», so Westerbarkey. Je nach Gefühlslage oder Lebenssituation projizierten sie oft ihre eigenen Wünsche auf diese «modernen Helden». «Begeht einer von ihnen einen Fehltritt, kann man schnell wieder Abstand nehmen und den Sünder verurteilen, auch um sich selbst zu rechtfertigen», so Westerbarkey weiter. Polis befragte zwischen dem 29. und 30. April 1138 Männer und Frauen ab 14 Jahren in ganz Deutschland.