Das «Bieler Tagblatt» hat seine Onlinestrategie geändert. Neu werden mehr Artikel gratis angeboten. Parzival Meister, Leiter Online beim «Bieler Tagblatt», erklärt gegenüber dem Klein Report den Richtungswechsel.
Herr Meister, Sie schreiben auf bielertagblatt.ch, Sie hätten die Onlinestrategie des «Bieler Tagblatts» seit Anfang Jahr kritisch hinterfragt. Zu welchem Ergebnis kamen Sie?
Parzival Meister: «Man kann sich unseren alten Auftritt wie einen VIP-Club vorstellen. Die meisten Artikel waren hinter der Paywall versteckt. Jetzt haben wir den Eingang des Clubs geöffnet. Ich habe meine Stelle als neuer Leiter Online am 1. Januar angetreten. Das sahen wir als gute Gelegenheit für einen Neustart - Tabula rasa.»
Weil Ihre alte Strategie gescheitert ist?
Meister: «Nein, gescheitert ist sie nicht. Wir haben sie ja auch nicht verworfen, sondern bloss ausgebaut. Der Grundgedanke bleibt: Für unsere journalistischen Leistungen verlangen wir Geld. Dort, wo wir uns als Regionalzeitung durch Recherche und Hintergrundwissen hervorheben, können wir uns auszeichnen. Und das muss kosten.»
Welche Inhalte bieten Sie gratis an?
Meister: «Artikel, hinter denen keine riesige Arbeit steckt, kosten nichts. Auch, wenn wir eine Medienmitteilung redigieren, verlangen wir nichts. Das gehört zwar auch zum zentralen journalistischen Handwerk - aber die Information an sich ist ja bereits gratis und öffentlich. Alles, was Vorwissen und einen Zeitaufwand erfordert, ist nach wie vor hinter der Paywall.»
Können Sie ein Beispiel machen?
Meister: «Ein Artikel über die Sitzung des Bieler Stadtrates wird beispielsweise kosten. Gleichzeitig werden wir aber versuchen, auf einer zweiten Schiene etwas zum Thema zu machen. In diesem Beispiel vielleicht die besten Zitate aus einer Debatte auflisten. Das ist Unterhaltung und kostet nichts.»
Also müssen die Journalistinnen und Journalisten ab sofort zu jedem Thema noch einen Artikel für die Homepage schreiben?
Meister: «Ja, einen gewissen Mehraufwand kann ich nicht abstreiten. Doch der hält sich in Grenzen. Um beim Beispiel des Stadtrates zu bleiben: Die Notizen mit den Zitaten sind ja bereits vorhanden. Wir verwerten also etwas, das es nicht in den eigentlichen Artikel geschafft hat.»
In der Ankündigung der neuen Strategie schreiben Sie auch, Sie wollen die Interaktivität steigern. Was heisst das?
Meister: «Wir wollen unsere Leserinnen und Leser stärker einbinden, eine Community schaffen. Das soll natürlich vor allem über unseren Internetauftritt passieren, denn dort können wir am besten mit den Leuten interagieren.»
Was heisst das konkret?
Meister: «Allzu viel Konkretes kann ich noch nicht sagen. Grundsätzlich wollen wir das Konvergenzdenken verstärken. So sollen etwa Onlineumfragen in die Zeitung des nächsten Tages einfliessen. Ein konkretes Projekt ist bereits in Arbeit: Leser können in Zukunft auf unserer Homepage Kochrezepte hochladen. Wir küren dann das Beste in der Printausgabe. Es geht darum, eine Community aufzubauen - ähnlich, wie wir sie bei Themen zum EHC Biel bereits haben.»
Messen Sie die neue Strategie auch an harten Faktoren?
Meister: «Natürlich wollen wir unsere Klickzahlen steigern. Wir wollen uns einer grösseren Leserschaft öffnen und, wie gesagt, eine Community aufbauen. Konkrete Zahlen, wohin wir wollen, will ich aber nicht nennen. Mir ist es in der ersten Phase wichtiger, dass unsere Leser das, was wir tun, cool finden. Der Rest entwickelt sich von alleine.»