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Sonntag
15.08.2010

Das Filmfestival Locarno 2010 hat im Vorfeld Hoffnungen geweckt: Der neue Festivaldirektor Olivier Père wollte neue Marken setzen, neue Impulse geben, frisches Feuer entfachen. Das ist ihm teilweise auch sehr gut gelungen: weniger Filme, dafür markante Werke, fordernde, teilweise radikale und dissonante Filme. Der Wettbewerb hatte gutes bis sehr gutes Niveau, gleichwohl werden die meisten dieser «Kunstwerke» nie eine Kinoleinwand in der Schweiz sehen. Diesbezüglich hat sich wenig gegenüber den Vorgängern geändert.

Es sind teilweise extreme, formal wie inhaltlich künstlich konstruierte Filme, die in Locarno dem Publikum vorgesetzt wurden - reduziert in Bild, Ton und Wort wie «Saç», «Han jia», «Curling» oder «Beyond the Steppes», unerbittlich im dokumentarischen Anspruch wie «Karamay» oder dreckig und drastisch wie «Bas-Fonds», um nur die extremsten Beiträge zu nennen.

Der Schweizer Wettbewerbsfilm «Songs of Love and Hate» konnte da nicht mithalten. Positiv überrascht hat hingegen der zweite Schweizer Beitrag «La petite chambre» von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, eine herzerwärmende Geschichte um einen alten störrischen Mann (Michel Bouquet) und eine traumatisierte Pflegerin (Florence Loiret Caille), die um ihr tot geborenes Kind trauert. Kein Meisterwerk, aber ein Kinofilm, der von zwei hervorragenden Schauspielern getragen und sein Publikum finden wird.

Es ist an der Zeit, dass das Filmfestival zu Ende geht. Der Festivalkatalog in neuem (Solothurner) Format löst sich allmählich in seine Bestandteile auf, der Himmel bedeckt sich über Locarno. Es bleiben einige starke Bilder und Geschichten. Kein Glamour (was nicht zu bedauern ist), aber der Arbeit des enthusiastisch engagierten Direktors Père muss man Anerkennung zollen.

Ein markantes Manko der Festivalausgabe 2010 prangert Klein-Report-Beobachter Rolf Breiner an: Die neue Hochglanzpostille «Pardo News» - mit vielen Bildern, Inhaltsangaben und Editorialen des Direktors - ist Augenwischerei. Dieses tägliche Magazin dient nämlich nicht der Kommunikation, informiert auch nicht über die Ereignisse hinter und neben den Kulissen. Mit der Abschaffung der Postfächer hat Direktor Pére den akkreditierten Journalisten und Medienschaffenden einen schlechten Dienst erwiesen.