«Wo man singt, da lasse dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder», heisst es in einem Gedicht «Die Gesänge» von Johann Gottfried Seumes. 1781 wurde der Poet auf einer Reise nach Paris von Soldatenjägern ergriffen und zwangsweise für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg rekrutiert.
Jetzt darf sein Gedicht noch einmal für Diskussionen sorgen. Am Freitag hat der Eurovision Song Contest ESC nämlich auf seiner Webseite bekannt gemacht, dass es beim kommenden Wettbewerb im Mai in Turin «keinen russischen Act geben» wird. Das habe der Vorstand der European Broadcasting Union (EBU) auf Empfehlung des Leitungsgremiums des ESC, der Reference Group, beschlossen.
Grundlagen für diese Entscheidung seien die Regeln des Wettbewerbs und die Werte der EBU. Lässt sich auf der Webseite nachlesen. Unterstützung bekam die Reference Group für ihren Vorschlag somit auch vom Fernsehausschuss der EBU. In der offiziellen Stellungnahme dazu heisst es, die Entscheidung spiegle die Besorgnis wider, dass angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine die Aufnahme eines russischen Beitrags in den diesjährigen Wettbewerb den Wettbewerb in Verruf bringen würde.
Auch ARD und ZDF begrüssen die Entscheidung der EBU, Russland die Teilnahme am Eurovision Song Contest 2022 zu verweigern. Die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und ZDF-Intendant Thomas Bellut äusserten sich: «Der ESC ist ein musikalisches Fest der Völker Europas. Er repräsentiert Werte wie Freiheit und Vielfalt und ist ein friedlicher Wettstreit kreativer Köpfe. Wenn ein Teilnehmerland des ESC von einem anderen angegriffen wird, sind wir innerhalb der europäischen ESC-Familie solidarisch. Deshalb ist die Entscheidung gegen die Teilnahme Russlands an dieser Stelle richtig.»
Im Vorfeld hatten bereits mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als Mitglieder der Rundfunkunion die EBU aufgefordert, Russland vom ESC auszuschliessen. Dazu zählen unter anderem Schweden, Dänemark, Norwegen, Island, die Niederlande sowie Estland. Finnland drohte sogar, dem Wettbewerb fernzubleiben, falls Russland teilnehmen würde.
Der Klein Report meint: In der Schweiz wird man sich über den Ausschluss von Russland natürlich freuen, denn mit weniger Teilnehmenden wird auch der Weg zum Sieg für unser neutrales Land automatisch leichter. Vorausgesetzt, man will uns weiterhin Punkte geben.
In Russland zeigte man sich am Sonntag beleidigt. Noch vor einem Jahr konnte die russische Sängerin Manizha bei der ESC-Ausgabe 2021 mit ihrem wie ein Manifest getexteten Beitrag «Russian Woman» ein sehr progressives Frauenbild aus dem verstockten Osten in die freie Welt hinaustragen.
Als Reaktion auf den russischen Ausschluss vom Eurovision Song Contest 2022 verlassen mehrere russische Sender den Veranstalter European Broadcasting Union. Der Erste Kanal, die staatliche Medienholding WGTRK und das Radiozentrum Ostankino protestierten damit gegen den Schritt. Es handle sich «um ein unangemessenes politisches Opfer eines Musikforums, das immer seinen unpolitischen Status betont habe», teilten die Sender am Samstag der Agentur Tass zufolge mit.