Content:

Mittwoch
26.07.2023

Medien / Publizistik

«Wir stehen vor dem Ruin»: Als Unternehmer, sagt Markus Somm, leide er den ganzen Tag unter manischer Depression...

«Wir stehen vor dem Ruin»: Als Unternehmer, sagt Markus Somm, leide er den ganzen Tag unter manischer Depression...

Markus Somm trägt eine doppelte Bürde. Er ist reich geboren und der Sohn eines erfolgreichen Unternehmers. Sein 90-jähriger Vater, Edwin Somm, war einst ABB-Schweiz-Chef und hat zuvor die kriselnde BBC gerettet.

Markus Somm fühlt sich ebenfalls als Unternehmer. Seine bisher erfolgreichste Tat: Er brachte 80 Investoren dazu, jeweils 100’000 Franken Aktienkapital zu zeichnen.

Bisher galt seine eiserne Regel: Über den Geschäftsgang wird nichts nach aussen getragen. Im Unterschied zur «Republik» blieb selbst die Abozahl des «Nebelspalters» (online) stets Verschlusssache.

Das galt zumindest bis letzten Sonntag. Es scheint, als habe Somm ein Wahrheitsserum zum Frühstück getrunken. Im Gespräch mit Lukas Hässig auf Inside Paradeplatz erzählt er freimütig wie nie zuvor: «Wir haben etwa 4'500 Abonnenten. Das ist zu wenig. Zu wenig, was die Einnahmen betrifft, und zu wenig aus dem journalistischen Impact gesehen.» Und dann fügt er noch hinzu: «Die 80 Investoren wollen ein Medium, das aufrüttelt.»

Als Unternehmer, sagt Somm, leide er den ganzen Tag unter manischer Depression. Immer wieder steige folgendes Gefühl in ihm hoch: «Wir stehen vor dem Ruin.»

4'500 Abos sind für ein Medium, das im Frühling 2021 gestartet ist, eigentlich keine schlechte Leistung. Multipliziert man die Abozahl mit den zurzeit vergünstigten Jahresgebühren von 179 Franken, kommt man auf Einnahmen von über 800’000 Franken. Und ein bisschen sprudeln auch die Werbeeinnahmen.

Nur, das ist zu wenig. 13 Angestellte plus 9 regelmässige Autoren stehen auf der Gehaltsliste. Plus aufwendige Filmaufnahmen, Redaktionssitz an der teuren Genferstrasse im Zürcher Engequartier und dann noch das Büro in Bundesbern. Die Investoren verlieren langsam die Geduld: Der «Nebelspalter» kommt wirtschaftlich und publizistisch nicht vorwärts. «Wir brauchen mehr Reichweite», bekennt Somm im Gespräch.

Dafür wird nun über Bord geworfen, was früher als sakrosankt galt. Paywall war gestern. Auf August ist (wieder) ein neuer Webauftritt geplant. Die Artikel sollen nicht mehr hinter einer Bezahlschranke stehen. Geplant ist zum Beispiel ein Werbevorspann. Erst dann darf man lesen.

Die Idee stammt von Christian Keller, Geschäftsführer von «Nebelspalter» und Gründer von primenews.ch. Abrücken will Somm auch von der Idee einer News-Plattform. Er wolle nun reduzieren, «wir sind zu breit».

Zudem sollen die Formate, die gut laufen, gestärkt werden. Somm zählt drei Beispiele auf, die Anklang finden sollen. Praktisch: Gleich zwei davon stammen von ihm: «Bern einfach» und «Somms Memo».

Sein Job scheint also sicher zu sein. Wie sieht es bei den übrigen Mitarbeitern aus? In ein paar Tagen wird man es erfahren.