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Dienstag
04.06.2002

Über Wahrheit und Unwahrheit im Abstimmungskampf sollen Bürgerinnen und Bürger selber entscheiden. Im Nationalrat zeichnet sich ein Nein zum Vorschlag ab, für die Lauterkeit der politischen Werbung eine Anrufinstanz einzuführen. Beunruhigt über Entgleisungen in Abstimmungskampagnen hatte der Nationalrat im März 2000 eine Initiative seiner früheren Präsidentin Judith Stamm (CVP) überwiesen. Nun geht es um die Vorlage, mit der die Staatspolitische Kommission (SPK) die damals geforderte Anrufinstanz konkret vorschlägt. Nach dem Antrag der SPK sollen die Stimmberechtigten irreführende oder tatsachenwidrige Aussagen vor Urnengängen bei einem Gremium von sieben unabhängigen Persönlichkeiten beanstanden können. Die Anrufinstanz soll dazu eine schriftliche Stellungnahme abgeben und den Medien zuleiten.

Die öffentliche Debatte sei «die Seele der direkten Demokratie» und müsse deshalb wahrheitsgetreu geführt werden, sagte SPK-Sprecher Andreas Gross. Die Anrufinstanz sei nötig, denn nicht alle Bürgerinnen und Bürger seien in der Lage, den Wahrheitsgehalt der Argumente zu beurteilen. Damit blieb Gross am Dienstag allein. Als Wortführer einer bürgerlichen Kommissionsminderheit beantragte Rudolf Joder (SVP) Nichteintreten. Das Volk sei mündig und brauche kein «Wahrheitsgremium», um sich seine Meinung zu bilden. Die Anrufinstanz würde der Lügenpropaganda erst recht Publizität verleihen und damit kontraproduktiv wirken. Der Bundesrat hat bereits ausgerichtet, dass er die Schaffung der Anrufinstanz ablehnt.