Unter dem Decknamen «Scholar», «Pedro» oder «Frank» ist der verstorbene Publizist Peter Scholl-Latour beim Bundesnachrichtendienst (BND) geführt worden.
Der bekannte deutsch-französische Journalist und Sachbuchautor, der 2014 im Alter von 90 Jahren verstorben ist, ist in den 80er-Jahren vom deutschen Auslandsgeheimdienst als «Gelegenheitsquelle» geführt worden.
Das geht aus Akten hervor, die der Westdeutsche Rundfunk (WDR) auswerten konnte. Gemäss der Akteneinsicht des WDR habe Scholl-Latour dem Nachrichtendienst mehrfach Informationen über seine Reisen und Gesprächspartner geliefert. «Ausserdem, so ist in den Unterlagen vermerkt, machte Scholl-Latour dem Dienst wohl Film- und Fotomaterial vor Veröffentlichung zugänglich», wie der WDR am Sonntag publik machte.
Seit einer Afghanistan-Reise 1981 mit einem Fernsehteam des ZDF sei er als «Gelegenheitsquelle» geführt worden. Seine Ansprechpartner waren zwei BND-Mitarbeiter mit den fiktiven Dienstnamen «Sallinger» und «Tebs», die damals im Geheimdienst für die Region Naher und Mittlerer Osten zuständig waren. Scholl-Latour habe mehrfach über Reisen und Gesprächspartner berichtet.
In der Zeit sollte sich der Auslandskorrespondent in Beirut mit einer BND-Quelle treffen, die der Geheimdienst selber nicht aufsuchen konnte, wie es weiter heisst.
Oder eine andere Begebenheit: «In den BND-Akten ist auch vermerkt, dass Scholl-Latour sich bereit erklärt haben soll, bei der Identifikation einer Person aus der DDR zu helfen, die für das Internationale Rote Kreuz in Ost-Afrika tätig werden sollte.»
Noch vor der Fernsehausstrahlung habe der TV-Journalist dem BND das Filmmaterial einer Dokumentation über das damals von der Sowjetunion besetzte Afghanistan zugänglich gemacht.
Gemäss Akten habe Scholl-Latour vorgeschlagen, zu diesem Zweck einen BND-Mitarbeiter in das ZDF-Büro in Bonn zu bringen. «In den Unterlagen heisst es, Scholl-Latour habe bei einem Gespräch erneut betont, dass er ‚einem unserer Vertreter gestatte, bei der ersten Visionage anwesend zu sein (…) Dazu sei erforderlich, daß unser Mann entweder ins Studio Bonn oder Paris kommt. Wiesbaden scheide aus, da es dort zu viele ‚Neugierige‘ gäbe. (…)‘».
Das Interesse des Geheimdienstes an dem Journalisten begann schon Anfang der 60er-Jahre, als dieser als Afrika-Korrespondent für die «Saarbrücker Zeitung» und die ARD im Kongo tätig war.
Gegenüber dem WDR erklärte eine BND-Sprecherin, dass Scholl-Latour nie als «reguläre Quelle» des Dienstes angeworben worden sei. Er habe keinen «stetigen Auftrag zur Informationsbeschaffung» bekommen und sei auch nicht bezahlt worden.
Und: «Der Begriff NDV (Nachrichtendienstliche Verbindung), der in den Akten für ihn verwendet wurde, sei nur ‚fälschlicherweise‘ in den Akten verwendet worden», zitiert der WDR.
Gegenüber dem WDR erklärte eine Sprecherin des Zweiten Deutschen Fernsehens: «Das ZDF hat keine Kenntnis über die geschilderten angeblichen Vorgänge aus den 80er-Jahren.»
Der Sender orientiere sich in seiner Arbeit an den publizistischen Leitlinien und am Pressekodex. «Daher wird auch gegenüber Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten grundsätzlich keine Auskunft zu den im Rahmen einer Recherche/einer Berichterstattung erlangten Informationen erteilt.»
Die Herausgabe weiterer Akten zu Peter Scholl-Latour sei vom Bundesnachrichtendienst mit Verweis auf bestehende Schutzfristen und eine mögliche Gefährdung für nachrichtendienstliche Methoden und das Staatswohl der Bundesrepublik Deutschland verweigert worden.