Die Gratiszeitung «TicinoOggi» stellt nach bloss 222 Ausgaben per sofort ihren Betrieb ein. Den zwei Dutzend Mitarbeitern wurde der Entscheid am Mittwochnachmittag mitgeteilt. «Die jüngsten Vorkommnisse um die Unterschriftensammlung für ein Referendum und die damit verbundene Strafuntersuchung haben den Verwaltungsrat dazu veranlasst, die Publikation per sofort einzustellen», schrieb die Quotidiano indipendente SA am Mittwoch. Der Verwaltungsrat zog damit die Konsequenzen aus dem Politskandal, den Lega-Nationalrat Flavio Maspoli mit seinen gefälschten Referendumsunterschriften ausgelöst hat. Maspoli war bis vor seinem Rauswurf vor zwei Wochen Direktor von «TicinoOggi».
Diese Begründung dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit sein. In seinem Communiqué verwies der Verwaltungsrat mit keiner Zeile auf die finanziellen Probleme des Blattes, das selten mehr als drei bis vier Werbeseiten pro Ausgabe aufwies. Medienexperten sind der Ansicht, dass das Startkapital der AG in der Höhe von 3 Mio. Franken längst aufgebraucht worden ist. TicinoOggi wurde vom Thermoselect-Patron Günter Kiss finanziert. Dieser benutzte die Zeitung als Plattform für seine Firma, die sich im Tessin um den Bau einer Kehrrichtverbrennungsanlage bemüht. Da Thermoselect aber mittlerweile so gut wie aus dem Rennen ist, machte es für Kiss keinen Sinn mehr, weiterhin in die Zeitung zu investieren.
Donnerstag
29.05.2003