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Freitag
24.05.2024

Medien / Publizistik

«Ausnahmemensch» Marco Goecke kriegt zweite Chance... (Bild © Christian Knörr / Theater Basel)

«Ausnahmemensch» Marco Goecke kriegt zweite Chance... (Bild © Christian Knörr / Theater Basel)

Das Theater hat einen neuen Balletchef namens Marco Goecke. Der «Ausnahmemensch» – Zitat Sibylle Berg – sei, so Verwaltungsratspräsident Michael Willi, ein «überzeugter Künstler». 

Er sei «sehr fair und fürsorglich im Umgang mit seinem Ensemble». Ausserdem, so der Verwaltungsratspräsident weiter, gab es keinen anderen «Vorfall in Hannover», wo der Balletchef nach einer Attacke mit Hundescheisse auf eine Journalistin seinen Posten verlassen musste.

Weiter meint Willi zur «Basler Zeitung», dass Marco Goecke «formaljuristisch» nur eine «tätliche Beleidigung» begangen habe. Die Sache sei aussergerichtlich mit einem vierstelligen Betrag an einen gemeinnützigen Verein gezahlt worden. 

Auf die Feststellung, dass es «krass» sei, jemanden mit Hundekot zu beschmieren, meint der Verwaltungsratspräsident: «Basel ist grundsätzlich sehr tolerant. Aber ja, die Tat war krass. Wir fanden aber, Marco Goecke hat eine zweite Chance verdient. Alex Frei hat 2004 im Länderspiel gegen England auf dem Platz Steven Gerrard angespuckt. Er musste sich danach wieder Respekt verschaffen. Und wir sind überzeugt, das Marco Goecke eine sehr publikumswirksame Tanzhandschrift hat.»

Im Interview wird nicht erwähnt, dass die Attacke einer Journalistin der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (F.A.Z.) gegolten hat und nicht einfach ein einmaliger Ausraster eines «Ausnahmemenschen» gewesen war. Es stellt sich die Frage, ob Künstler mit anderen Massstäben beurteilt werden als zum Beispiel Politikerinnen.

Der Kommentar von Mélanie Honegger in der «Basler Zeitung» spricht denn auch eine direkte Sprache: «Ein verheerender Entscheid» sei gefallen. Und zwar gerade, weil Goecke eine Journalistin beschmiert hat. «Es ist aber ein deutliches Signal an Journalistinnen und Journalisten, das nicht ganz überraschend kommt.» 

Auch der Basler Theaterintendant Benedikt von Peter habe ein angespanntes Verhältnis zu den Medien. «Kritische Artikel kommen für ihn anscheinend einer Hetzjagd gleich, negative Stimmen sind offenbar nicht gerechtfertigt», so Honegger weiter.

Die «bz Zeitung für die Region Basel» titelt im Unterschied dazu fröhlich: «Ein Reuiger bringt Erneuerung» und übernimmt Marco Goeckes Entschuldigung für seine Attacke: «Aufgrund der von ihr verfassten ‚schlimmen, persönlichen Kritiken‘ beschmierte Goecke die Feuilleton-Autorin Wiebke Hüster mit Hundekot». 

Die Journalistin ist klassische F.A.Z.-Kulturkritikerin und hat unzählige positive Rezensionen zu Marco Goecke verfasst und auch ein paar kritische.

Auch «FAZ»-Net zeigt sich gegenüber Marco Goecke sehr versöhnlich; sie schreibt über die zweite Chance des grossen Künstlers, der sich aufrichtig bei der «Theaterkritikerin» und «allen anderen, die er damit verletzt habe», entschuldigt habe. Auch der Deutschlandfunk zeigt sich sehr erfreut über «die zweite Chance» für den grossen Künstler. 

Marco Goecke ersetzt übrigens die weibliche Ballettchefin des Basler Theaters. Adoplphe Binder erhielt, im Unterschied zu Marco Goecke, keinen vierjährigen, sondern nur einen zweijährigen Vertrag.