Die drei Chefredaktoren, die an der Dreikönigstagung vom Dienstag die rhetorischen Klingen kreuzten, waren sich nur in einem Punkt wirklich einig: Eine Rückkehr zur Parteipresse findet nicht statt. Über die politische Ausrichtung der Zeitungen gab es zwischen Res Strehle vom «Tages-Anzeiger», Markus Somm von der «Basler Zeitung» und Felix E. Müller von der «NZZ am Sonntag» dagegen keine Einigkeit.
Anlass für die Diskussion unter der Leitung von Norbert Neininger, dem Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten», war die Absetzung des NZZ-Chefredaktors Markus Spillmann und die Nachfolgeregelung, bei der Markus Somm im Gespräch war.
«Als ich um 11 Uhr die Falkenstrasse verliess, hatten wir noch keinen Chefredaktor», meinte Felix E. Müller zum Stand der Nachfolgeregelung. Er wisse angesichts der Dynamik bei der NZZ aber nicht, ob sich das zwischenzeitlich schon geändert habe, witzelte er. Damit hatte sich die Diskussion über die NZZ-Chefredaktion auch schon erledigt, denn auch die anderen Chefredaktoren wollten nicht genauer auf die Vorgänge bei der NZZ eingehen.
Stattdessen ging es etwas allgemeiner um die Repolitisierung der Publizistik, die allerdings bei den drei Podiumsgästen für genug Gesprächsstoff sorgte. Schon die von Neininger zitierte Einordnung des UBI-Präsidenten Roger Blum, wonach der «Tages-Anzeiger» linksliberal und «Basler Zeitung» sowie die NZZ rechtsliberal seien, provozierte Widerspruch.
«Da zeigt sich, wie problematisch die Medienforschung ist», frotzelte Felix E. Müller. Er wollte nicht in den gleichen Topf wie die BaZ geworfen werden und bezeichnete diese als «nationalkonservativ». Die NZZ sei dagegen dem Schweizer Liberalismus und journalistischer Qualität verpflichtet. Die Nähe zu FDP begründete er damit, dass dies die einzige liberale Partei der Schweiz sei.
Res Strehle widersprach Müller, denn auch er bezeichnet seine Zeitung als liberal, allerdings konkreter als «ökoliberal und sozialliberal». «Wir sind politisch unabhängig, wurden aber lange als SP-Blatt wahrgenommen», sagte Strehle. Die SP hasse die Zeitung mittlerweile aber wie andere Zeitungen auch. «Das hat vielleicht auch mit Enttäuschung zu tun. Die Zürcher Regierung fühlte sich stark von uns in die Kritik gestellt.»
Markus Somm wiederum wehrte sich gegen die Bezeichnung «nationalkonservativ». Die BaZ sei eine Forumszeitung, die «im Zweifelsfall rechts der Mitte» positioniert sei. «Die Zeit der Parteizeitungen ist vorbei», sagte Somm. «Es braucht Diversität, es braucht Haltung.» Um eine Zeitung bezüglich Haltung einzuordnen, müssten alle Texte berücksichtigt werden. Beim «Tages-Anzeiger» seien rechte Meinungen etwa nur noch als Spurenelemente wahrzunehmen.
Res Strehle konterte, dass dies falsch sei und sie alle Meinungen in der Zeitung berücksichtigen würden. Felix E. Müller stichelte: «Ausser die Velowege, die werden nicht kontrovers diskutiert.» «Solange es zu wenige gibt, wird das so bleiben», meinte Strehle nur und lachte - genauso wie das Publikum, das sich oft hörbar amüsierte.
Dann wandte sich Strehle wieder an Somm. «Die isolationistische Haltung ist nicht gut, die Schweiz ist weder links noch rechts, sondern in der Mitte.» Dies betreffe etwa die Berichterstattung über die Ecopop- und die Masseneinwanderungsinitiative.
Somm gab zurück, dass die beiden Initiativen in der Zeitung differenziert beleuchtet worden seien, und er wollte auch klargestellt haben, dass er nicht der Statthalter von Blocher sei, wie ihn Müller zuvor bezeichnet hatte. «Ich habe noch nie eine Anweisung oder Kritik von Christoph Blocher erhalten», sagte er.
Als es um die Zukunftspläne der Chefredaktoren ging, nutzte Somm die Gelegenheit und gab bekannt, dass er ein Buch über Marignano schreibe. Dies habe aber nichts mit Nationalkonservatismus zu tun, schlug er den Bogen zur Diskussion zur politischen Haltung, sondern dass das Thema gut aufzeige, dass die Schweiz schon immer weltoffen und zugleich eigensinnig gewesen sei.
«Ich bin erstaunt, dass Du als Chefredaktor ein Buch schreibst. Habt Ihr noch Stellen frei?», setzte Strehle in der munteren Diskussion nach, in der auch Norbert Neininger nicht verschont blieb. Müller bezeichnete Tele Blocher, das in Neiningers Schaffhauser Fernsehen ausgestrahlt wird, als «satirische Sendung, ein `Giacobbo/Müller` für SVP-Leute».
Dazwischen gab es noch einige Intermezzi, in denen die drei Chefredaktoren auf den Einfluss des Verlegers, des Verwaltungsrates und des Aktionariates auf die politische Haltung der Zeitung eingingen, was alle verneinten, oder auf das Wahlprozedere eines Chefredaktors.
Zum Schluss meinte Neininger, in Anspielung darauf, dass alle drei Gäste früher einmal bei der «Weltwoche» gearbeitet hatten, noch: «Gehen Sie zur `Weltwoche`, dann werden Sie vielleicht Chefredaktor der NZZ.»