Das Internet ist nicht schuld an den Problemen der Medien, und es gibt drei Ansatzpunkte, die in eine erfolgreiche Medienzukunft führen: Diese Botschaft überbrachte der Strategie- und Wirtschaftsprofessor Felix Oberholzer-Gee aus den USA den Verlegern in seiner Schweizer Heimat. Für den Klein Report berichtet Marlis Prinzing.
Oberholzer-Gee ging nach dem Wirtschaftsstudium und dem Doktorat in Zürich und zudem ausgerüstet mit Erfahrungen als Geschäftsführer eines Schweizer Unternehmens für Prozesssteuerung in die USA. Er forscht mittlerweile als Professor an der Harvard Business School, wurde ausgezeichnet für seine Fähigkeit zu unterrichten und verständlich zu vermitteln, die auch das Kongresspublikum in Interlaken am Freitag deutlich spürte, und trainiert zurzeit Führungskräfte in effizienten Wettbewerbsstrategien für Medienunternehmen.
Anders gesagt: Er sollte sich genau in den Bereichen auskennen, wo mancher Medienmanager und Verleger derzeit ratlos die Stirn runzelt.
Natürlich kam Oberholzer-Gee nicht mit Versprechen und Königswegen. Er nutzte die Bühne im Hotel Victoria-Jungfrau, um mit ein paar Mythen aufzuräumen und um eine Haltung anzubieten, die Wege öffnet.
Das Internet ist nicht die Ursache für die Veränderungen und Probleme in der Medienbranche, belegte der Wirtschaftsexperte mit Zahlen, und die heutige Zeit lasse sich nicht mit jener vergleichen, in der Kutschen durch Automobile abgelöst wurden. Damals wurden mit Kutschen immer weniger Erlöse erzielt und mehr mit Automobilen, mit Medien hingegen lasse sich auch heute kontinuierlich Geld verdienen; nur die Bereiche und die Arten, wie das funktioniert, haben sich verändert.
Es besteht also kein Grund zur Klage, sondern zum Nachdenken, wie man erfolgreich wird. Er nannte drei Ansatzpunkte für Medienprofis, die strategisch ihren Erfolg planen wollen: Im Internet das machen, was offline schwer möglich ist, auf komplementäre Produkte setzen und in sozialen Netzwerken orientiert an den Bedürfnissen der Community auftreten.
Ein traditioneller Stellenanzeiger auf Papier hilft nicht, wenn man als Führungsperson signalisieren will, für neue Herausforderungen offen zu sein. Ein Netzwerk wie Linked-In, illustrierte Oberholzer-Gee, sei ein Beispiel, dass man online dann erfolgreich ist, wenn man etwas anbietet, das offline nicht geht, und sich anders verhält als manches Medienhaus, das einfach seine Printleistungen als Website und als App veröffentlicht.
Linked-In beispielsweise sei im Kern eine Stellenbörse, indem sie auch als Netzwerk auftrete, biete sie neu die Möglichkeit für Personalverantwortliche und Jobsuchende, sich auf dem Markt umzusehen und aufzustrecken ohne aufzufallen.
Komplementär denken, lautete Empfehlung zwei. Der Rasierer nutzt nichts ohne Klinge und die Klinge nichts ohne Rasierer, erläuterte er sein Konzept gegenseitiger Wertsteigerung. Beispiel: Ein Kino in Philadelphia verlangt höhere Preise als die Konkurrenz und ist immer voll. Wie geht das? Ein Blick in die Kinobesucherstatistik könnte Auslöser für die Idee gewesen sein. Die Besucherzahlen von Menschen mit jungen Familien brechen rapide ein. Also bot das Kino als komplementäre Leistung eine Kinderbetreuung an, und alle haben ihren Gewinn.
Bündeln, aber nicht wie oft üblich einfach Gleiches, sondern Verschiedenes, belegte Oberholzer-Gee an einfachen Beispielen. Einem Tierfreund statt einem zwei Tierhefte anzubieten, erhöhe dessen Zahlungsbereitschaft nicht so sehr wie wenn man das Produkt, das er unbedingt will, kombiniert mit einem, das ein passendes anderes Thema anspricht. Dann sei die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Kombipack greife, hoch.
«Heute wurde mir auf Facebook ein Katheter angeboten», beschrieb der Strategieexperte, wie man hochwahrscheinlich erfolglos wirbt. Wenn sich jemand gerade in sozialen Netzwerken bewegt, dann ist er auf soziales Leben und Freunde eingestellt und wird sich über Angebote, die damit gar nichts zu tun haben, eher ärgern als zugreifen.
Das Publikum lachte über das Beispiel, erkannte aber die dreifache Kernbotschaft des Vortrags: Vieles gelingt erst dann, wenn man sich auf das Gegenüber einlässt und auf das, was ihm nützt - und damit schliesslich einem selber. Eine einfache, doch oft vergessene Erkenntnis, in der manche Antworten ruhen auf die Frage, die alle umtreibt und dem Vortrag den Titel gab: «Medien - wie weiter?»