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Sonntag
21.07.2024

TV / Radio

Forschungschef Mirko Marr...   (Mediap.)

Forschungschef Mirko Marr... (Mediap.)

Was hat sich in den ersten sechs Monaten 2024 zum Vorjahreszeitraum verändert? Das Forschungsunternehmen Mediapulse hat am Freitag dazu Zahlen publiziert.

Der Klein Report hat sich mit Mirko Marr, Head of Research, über die Veränderungen unterhalten. Weshalb bleibt TV so stabil und wie stark steigen die absolute Werte durch das Bevölkerungswachstum und wieso schauen die Tessiner mehr Fernsehen als der Rest der Schweiz?

Die Ergebnisse der TV-Nutzung im ersten Halbjahr 2024 zeigt eine gewisse Stabilität im Fernsehkonsum. Was sind hier die Gründe aus Forschungssicht?
Mirko Marr: «Die TV-Nutzung ist ein stark habitualisiertes Verhalten, dass sich nur langsam verändert. Zumindest solange keine Pandemie ausbricht und sich die Randbedingungen des TV-Konsums schlagartig ändern.»

In der Deutschschweiz schauten die Menschen weniger lang Fernsehen als im ersten Halbjahr 2023. Hingegen sassen die Tessiner (340’000 im Panel) länger vor dem TV. Was lässt sich aus Forschungssicht dazu sagen? Gibt es hier kulturelle Unterschiede?
Mirko Marr: «Mediapulse ist auf die Deskription der TV-Nutzung spezialisiert und überlässt die Erklärung der Nutzungsdaten lieber den Sendern und Vermarktern. Wir verweisen bei solchen Fragen aber gerne auf die deskriptiven Daten der Nachbarländer, wo die Unterschiede zwischen der Deutschschweiz und der Svizzera italiana etwa mit den Unterschieden in der Fernsehnutzung zwischen Deutschland und Italien korrespondieren.»

In der Romandie blieb die Tagesreichweite mit 64 Prozent unverändert. Hingegen fiel die Nutzungsdauer von 198 auf 186 Minuten. Wie ist das zu werten?
Mirko Marr: «Eine stabile Nutzerschaft investiert in der Suisse romande im Vorjahresvergleich weniger Zeit in die TV-Nutzung.»

In der Schweiz leben immer mehr Menschen. Steigen da nicht die Werte durch das absolute Bevölkerungswachstum?
Mirko Marr: «Das ist tatsächlich so, was sich im Langzeitvergleich zeigt. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit den Werten von 2014, dann geht die Nettoreichweite des Fernsehens um zwei Prozentpunkte zurück, während die absolute Zuschauerzahl von 4.6 auf 4.9 Millionen angestiegen ist. Somit erreicht des Fernsehen heute tatsächlich mehr Menschen als vor 10 Jahren.»

Ist die Entwicklung der TV-Nutzung in der Schweiz vergleichbar mit anderen Ländern?
Mirko Marr: «Die TV-Nutzung in der Schweiz zeichnet sich im europäischen Vergleich durch drei Besonderheiten aus. Erstens wird nirgendwo sonst so wenig Zeit fürs TV-Schauen aufgewendet wie in der Schweiz. Mit einer tägliche Nutzungsdauer von 113 Minuten pro Kopf belegt die Schweiz in den Länderrankings in der Regel den letzten Platz. Zweitens sucht das Angebot an frei verfügbaren Sendern aus dem In- und vor allem aus dem Ausland seines Gleichen. Und weil die Schweizer TV-Zuschauer dieses üppige Angebot auch gerne nutzen, wird die begrenzte Nutzungsdauer auf viele verschiedene Sender verteilt, was drittens zu einer vergleichsweise hohen Fragmentierung der TV-Nutzung führt. Das Publikum verstreut sich.»

Vor Jahren war die zunehmende Nutzung von Replay TV ein viel diskutiertes Thema im Schweizer TV-Markt. Was zeigen die Nutzungsdaten aktuell?
Mirko Marr: «Der Anteil der zeitversetzten Nutzung von TV-Programmen ist zwischen 2013 und 2020 kontinuierlich gewachsen. Ab dann kann man eine Stagnation beobachten. Im abgelaufenen Semester entfielen 27 von 100 Nutzungsminuten auf die nicht-lineare TV-Nutzung.»

Inwiefern kann die TV-Forschung Entwicklungen wie die Fragmentierung des Publikums oder die zeitversetzte Nutzung noch korrekt erfassen?
Mirko Marr: «Die zeitversetzte Nutzung lässt sich über die Messtechnologie des Audio Matchings, die in der Schweiz seit 2013 zum Einsatz kommt, sehr verlässlich erfassen. Vor allem, wenn  man sich auf die Nutzung in den ersten sieben Tagen nach dem Broadcasting beschränkt, wie es in der Schweiz als Marktkonvention gehandhabt wird. Um die zunehmende Fragmentierung der TV-Nutzung erfassen und abbilden zu können, hat Mediapulse ein neues Verfahren entwickelt, bei dem die Small Data des TV-Messpanels mit den Big Data von gut 200'000 Settop Boxen angereichert werden. Diese hybride Messlösung, die im Sommer 2022 als Marktlösung eingeführt wurde, liefert hochauflösende Nutzungsdaten, die insbesondere der Werbeplanung und Werbevermarktung höhere Stabilität und bessere Planbarkeit bieten.»

Neben der sehr grossen SRG gibt es im stark fragmentierten Schweizer Markt viele kleine TV-Sender. Im Sommer 2022 hat Mediapulse ein hybrides Messsystem eingeführt, das mit Nutzungsdaten aus Settop-Boxen angereichert wurde. Was hat sich bis heute verändert? Wie reagieren die Vermarkter auf die neuen Daten? Und wie reagieren die kleineren TV-Stationen?
Mirko Marr: «Ziel des hybriden Messsystems war es, das fragmentierte Bild der TV-Nutzung in der Schweiz mit einer höheren Auflösung und mit mehr Details zeichnen zu können und damit die Nutzung von reichweitenschwachen Sendern oder von grossen Sendern zu nutzungsschwachen Tageszeiten stabil und verlässlich abzubilden. Diese Forschungsinnovation wurde von allen Akteuren des TV-Marktes gefordert und ist heute als Währungsstandard breit akzeptiert.»