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Montag
03.05.2021

Medien / Publizistik

Es soll keine klassische Anzeigenkampagne sein: Gemäss internen Papieren bezahlte Agro-Marketing Suisse für das Ringier-Projekt 300’000 Franken...

Es soll keine klassische Anzeigenkampagne sein: Gemäss internen Papieren bezahlte Agro-Marketing Suisse für das Ringier-Projekt 300’000 Franken...

Der Ringier-Verlag hat mit der Kommerzialisierung der vierteiligen Serie «Mehr Schweiz im Teller» für den Bauernverband mehr als überbordet.

In der «Schweizer Illustrierten» (SI) erschienen zwischen dem 24. April und dem 12. Juni 2020 die Beiträge «Die Ruhe vor der Spargel-Hochsaison», «Alles für die Kuh», «Sauwohl mit viel Freilauf» und «Im Bann der Beeren».

«Der Hinweis, dass Geld floss, fehlte in allen vier SI-Beiträgen», monierte deshalb der Presserat nach seiner Analyse. Erst beim letzten Beitrag stand der explizite Vermerk «in Zusammenarbeit mit Agro-Marketing Suisse und dem Schweizer Bauernverband», was aber nicht reiche, um der Leserschaft die Natur der bezahlten Inhalte transparent zu machen, so der Rat. «Damit diese nicht in die Irre geführt wird, muss die Zusammenarbeit klar als kommerziell und bezahlt deklariert sein, und das bei jedem einzelnen Beitrag.»

In der Artikelserie porträtierte die ständige SI-Mitarbeiterin Manuela Enggist vier Bauernhöfe, alles sauber fotografiert von SI-Fotograf Kurt Reichenbach.

Die vier Artikel erschienen in verschiedenen Ausgaben und trugen jeweils die rot unterlegte Überschrift «Mehr Schweiz im Teller». Am Ende der Artikel folgt das Logo von «Suisse Garantie» oder «Swissmilk green» sowie ein schwarz unterlegter Kasten mit dem Titel «fakt».

Zur Ehrenrettung der Redaktion sollte erwähnt sein, dass der erste Beitrag vom 24. April 2020 von Co-Chefredaktor Werner de Schepper im Editorial als Aktion in Zusammenarbeit mit den Schweizer Bauern vorgestellt wurde: «Vielleicht ist das etwas, was von der Corona-Zeit bleibt, dass wir wieder wissen wollen, woher unser Essen herkommt, darum lanciert die ‚Schweizer Illustrierte‘ mit den Schweizer Bauern die Aktion ‚Mehr Schweiz im Teller‘.»

Zusätzlich wurde die Aktion mit einem Schreiben von Bundesrat Guy Parmelin eingeführt, in dem der SVP-Politiker und Weinbauer die Resilienz der Landwirtschaft in der Pandemie unterstrich. Sein Appell in der «Schweizer Illustrierten»: «Profitieren wir von unseren einheimischen Nahrungsmitteln und seien wir dankbar dafür.»

Der aktuelle Bundespräsident hat etwas Ähnliches auch zur Einführung von «watson» in der Romandie gemacht. In einer Sonderausgabe von «persönlich» und «Cominmag» rührte der Politiker in einer Grussbotschaft für die Herausgeberin AZ Medien die Werbetrommel.

Auch hier kann von einer massgeblichen Finanzierung ausgegangen werden. Und das von einem Medienunternehmen, das im Pandemiejahr einen Umsatzrückgang von 12,9 Millionen auf 233,1 Millionen Franken ausweist, aber einen Gewinnsprung auf 10,1 Millionen verkünden kann.

Nothilfe des Bundes, Kurzarbeit, eine weitere Sparrunde und massig Synergien aus dem Joint-Venture mit CH Media bringen AZ-Verleger Peter Wanner einen Geldhaufen, den dieser so noch nie gesehen hat. CH Media selber weist 22,8 Millionen Gewinn für 2020 aus. Gemäss Recherchen des Klein Reports hätte das Joint Venture noch mehr Gewinn ausweisen können.

Fazit des Klein Reports: Alle grösseren Medienunternehmen inklusive SRG sind massiv mit Staatsgeldern unterstützt worden, was die dringend anstehende Strukturbereinigung im Medien- und Kommunikationsbereich nochmals künstlich verzögert. Denn die Schweiz hat heute noch eines der höchsten publizistischen Angebote im europäischen Vergleich. Also Hände weg von Native Advertising & Co.

Deshalb zurück zu den Bauern und der gesponserten Artikelserie, welche die Bedeutung der einheimischen Lebensmittel in Pandemiezeiten aufzeigen sollte. Durch die Eingabe des Beschwerdeführers vom 20. Juni 2020 an den Presserat wurde ersichtlich, dass die Aktion von Agro-Marketing Suisse finanziert wurde und die Beiträge später als Publireportagen in anderen Publikationen des Ringier-Verlags erscheinen sollten.

Der Beschwerdeführer selber sieht in den vier in der «Schweizer Illustrierten» publizierten Beiträgen eine Verletzung des Journalistenkodex, «weil sie nicht klar als Native Advertising gekennzeichnet seien», wie ihn der Presserat in der Stellungnahme zitiert. Es gebe nirgends einen Hinweis, dass sie vom Schweizer Bauernverband bezahlt worden seien, Layout und Gestaltung seien identisch mit anderen redaktionellen Teilen, Hinweise auf Publireportagen fehlten.

«Mehr Schweiz im Teller» brachte Ringier mehr Ärger ins Haus, nachdem die «Bauernzeitung» am 15. Mai 2020 über «eine laufende Zusammenarbeit zwischen Ringier-Medien und der Landwirtschaft» berichtete.

Durch die Beschwerdeeingabe bekam der Presserat Kenntnis von einem internen Papier des Bauernverbandes. Darin steht unter anderem, «dass dieses Projekt als Folge der Pandemie entstanden ist, um die Bedeutung und Anerkennung einheimischer Produkte zu unterstreichen», zitiert der Presserat daraus.

«Gemäss diesem Dokument habe Agro-Marketing Suisse das Ringier-Projekt mit 300’000 Franken finanziert. Es solle keine klassische Anzeigenkampagne sein – vielmehr solle durch redaktionelle Beiträge oder Publireportagen die Wichtigkeit einheimischer Produkte aufgezeigt werden.»