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Sonntag
24.01.2010

20 Jahre lang war Roger Blum Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern - Ende Januar tritt er in den «Ruhestand», für den er bereits Pläne hat. Sein Berner Institut, seine Freunde und Kollegen aus Wissenschaft und Medien veranstalteten ihm zu Ehren am Samstag ein kleines Symposium, an dem sein Wirken so gewürdigt wurde, wie es Roger Blum wohl am meisten entspricht: In den kurzen Vorträgen kamen nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch Journalistinnen und Journalisten zu Wort, im Mittelpunkt stand die Diskussion.

Geboten wurde den 200 Zuhörerinnen und Zuhörern unter anderem ein Überblick über den Stand der Forschung über das Verhältnis von Macht und Medien, über Politiker und Journalisten. Die Berliner Professorin Barbara Pfetsch präsentierte neue Ergebnisse einer Befragung in neun Ländern zur gegenseitigen Einflussnahme von Journalisten und Politikern. Ihre Schlussfolgerung: Journalisten spielen gern ihre Möglichkeiten, ihre «Medienmacht» herunter und machen sich damit das Leben leichter.

Diskutiert und debattiert wurde aber vor allem über die aktuelle Lage der Medien, über das Spannungsfeld von Qualität und Kommerz, Relevanz und Beliebigkeit, Nachricht und PR, Recherche und Inszenierung, politischer Information und Unterhaltung. Scharf kritisierte der frühere «Bund»-Redaktor Richard Aschinger die «wirtschaftlichen Sparpakete», die von den Medienkonzernen und Zeitungsverlegern als Relaunches verkauft worden seien: «Die Zeitungen haben ihre Seele verloren, denn Charakter wird nur noch designt.»

Qualifizierte, erfahrene Journalisten würden dutzendweise entlassen oder kündigten von sich aus, die Redaktionen würden jünger, kleiner, billiger und die Grenzen zur Werbung immer mehr aufgeweicht - für Aschinger ein Anlass zur Warnung: «Qualität bleibt ein Thema: Wir brauchen gute Journalisten.»

Kritik, Verunsicherung, Selbstzweifel: Die Frage nach den ethischen Grundlagen des Journalismus wurde etwas überraschend, aber folgerichtig zum zweiten Schwerpunkt der Debatte. Formulierte Michael Haller aus Leipzig zunächst etwas akademisch die Einhaltung des Trennungsgebots (zwischen Werbung und Redaktion), forderte er dann sehr konkret die Erweiterung des Presserats zu einem Medienrat und des Pressekodexes zu einem Medienkodex, um die Internetforen miteinbeziehen zu können.

Nach dem dringenden Appell Enrico Morresis, Präsident des Stiftungsrats Schweizer Presserat, Wissenschaft und Medien sollten eben diesen Presserat nicht allein lassen - «Medienethik ist keine Nebensache!» - ging es in der Diskussion wirklich ums Grundsätzliche: Was sind denn die Grundlagen der journalistischen Arbeit, was ist unser staatsbürgerlich-demokratisches Selbstverständnis?

Dass dies nicht nur akademische Fragen sind, sondern aktuelle Themen einer politischen Debatte, zeigte die Irritation über das Minarett-Verbot. Es geht hier exemplarisch um das Verhältnis von Medien und Demokratie: Allen Diskussionsteilnehmern war klar, dass die Medien im Vorfeld der Abstimmung Fehler gemacht haben. Der Berner Staatsrechtler Jörg Paul Müller verwies schlicht auf Sokrates - auf die Notwendigkeit des allgemeinen öffentlichen Diskurses.