Die Ausübung des Journalistenberufs ist in Haiti eine gefährliche Sache. Mehrere Mitglieder des unabhängigen Senders «Radio Metropole» haben inzwischen das Land verlassen. Fast täglich gingen Drohanrufe beim Sender ein. Wie Nachrichtenchef François Rotchild erklärte, werden bei Demonstrationen Reporter immer wieder von Anhängern der Lavalas-Partei des Präsidenten Jean Bertrand Aristide beschimpft. Nicht selten würden sie auch körperlich bedroht. Aristide war Ende 2000 zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden. Die Opposition hatte die Präsidentenwahlen wegen gravierenden Unregelmässigkeiten bei den vorangegangen Parlamentswahlen boykottiert. Sie fordert Neuwahlen und den Rücktritt Aristides.
Ende letzter Woche mussten sich mehrere Radioreporter in der 180 Kilometer von Port-au-Prince gelegenen Hafenstadt Gonaïves vor einem wild gewordenen Mob verstecken. Sie wollten über die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen regierungskritischen und -freundlichen Demonstranten berichten. Nachdem sie sich zwei Tage lang in der Stadt versteckt hatten, gelang ihnen die Flucht und die Rückkehr nach Port-au-Prince. Schlimmer erging es vor einem Jahr dem Journalisten Brignol Lindor. Lindor war Radioreporter und Nachrichtenchef von «Radio Echo 2000» in Petit-Goâve, 70 Kilometer südöstlich der Hauptstadt. Er wurde Zeuge, als Angehörige der Lavalas-nahen Organisation «Domi nan Bwa», der «Wächter des Waldes», Mitglieder der Convergence Demócratique in der Hafenstadt bedrohten. Laut Zeugenaussagen griffen die «Wächter des Waldes» daraufhin den bekannten Journalisten an. Lindor starb am 3. Dezember des vergangenen Jahres auf Grund der Misshandlungen. Seine Mörder sind nach Angaben der haitianischen Journalistenvereinigung zwar bekannt. Aber die Justiz unternehme nichts, um die Täter vor Gericht zu stellen. Lindor ist nicht der einzige Journalist, der in den vergangenen Jahren ermordet wurde und dessen Mörder nicht hinter schwedischen Gardinen sitzen.
Freitag
06.12.2002