Nach einer kurzen Atempause lässt die iranische Regierung wieder verstärkt Medienschaffende verhaften. Reporter ohne Grenzen (RSF) ist beunruhigt über diese Entwicklung, wie die Organisation mitteilt.
Die Situation zeige, dass die Behörden nicht nur die Berichterstattung über die Strassenproteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini, sondern auch jegliche Debatte über mögliche Reformen unterdrücken wollen.
Seit dem Beginn der landesweiten Proteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam haben die iranischen Behörden 75 Journalistinnen und Reporter verhaftet. 17 von ihnen sind noch immer in Haft.
«Teheran will, dass unabhängige Medienschaffende in einem Klima der Angst leben», sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. «Das Regime setzt auf Razzien, körperliche Gewalt und Isolationshaft. Das ist nicht hinnehmbar. Die Herrscher müssen endlich verstehen, dass sich abweichende, unabhängige Stimmen nicht für immer unterdrücken lassen.»
Zuletzt traf es die freiberufliche Fotojournalistin und Frauenrechtsaktivistin Alieh Motalebzadeh. Am 10. Mai stürmten sieben Polizisten Motalebzadehs Wohnung, durchsuchten sie und forderten die Journalistin anschliessend auf, sich zum Verhör bei der Staatsanwaltschaft im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis zu melden. Motalebzadeh geriet ins Visier der Behörden, weil sie am 21. April an einer Online-Konferenz mit dem Titel «Dialog zur Rettung des Iran» teilgenommen hatte.
Die Journalistin und Aktivistin ist Vizepräsidentin der Iranischen Vereinigung zur Verteidigung der Pressefreiheit. Bereits im November 2016 wurde sie gewaltsam festgenommen. Einen Monat später kam sie gegen Kaution frei, musste aber ab 11. Oktober 2020 im Evin-Gefängnis eine dreijährige Haftstrafe wegen «Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit» antreten.
Einen Tag vor dieser Konferenz zum «Dialog zur Rettung des Iran», am 20. April, liessen die Behörden auch Keyvan Samimi verhaften, einen bekannten Journalisten und früheren Herausgeber der Monatszeitschrift «Iran Farda». Der 73-jährige hatte zuvor seine Teilnahme an der Konferenz angekündigt. Seit dem 10. Mai sitzt er im Evin-Gefängnis.
Vor allem diese Haftanstalt ist seit vielen Jahren für Misshandlungen berüchtigt. Die iranische Journalistin und Menschenrechtlerin Narges Mohammadi – 2022 mit dem RSF Press Freedom Award in der Kategorie Mut ausgezeichnet – hatte in ihrem Buch «Weisse Folter» von den grausamen Zuständen in Evin und anderen Gefängnissen berichtet.
Am 3. Mai 2023 wurde zudem Sajjad Shahrabi verhaftet, Journalist beim staatlichen iranischen Rundfunk IRIB. Was genau ihm vorgeworfen wird, ist noch nicht bekannt.
Trotz einer Reihe von Begnadigungen werden viele von den Verhafteten weiterhin schikaniert, bespitzelt oder bedroht.