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Mittwoch
29.06.2022

Medien / Publizistik

Roger Schawinski mit Ehefrau Gabriella Sontheim (l.), Sohn Kevin und Tochter Lea...       (© Klein Report/André Häfliger)

Roger Schawinski mit Ehefrau Gabriella Sontheim (l.), Sohn Kevin und Tochter Lea... (© Klein Report/André Häfliger)

Im Zürcher In-Lokal Kaufleuten ist am Dienstagabend in fünf Kategorien der Zürcher Journalistenpreis vergeben worden. Radio-Pionier Roger Schawinski wurde für sein Gesamtwerk geehrt.

Vor Ort unter vielen Journalistinnen und Journalisten waren André Häfliger und Ursula Klein.

Die Stimmung war fröhlich und auch feierlich. «Ana Scent» sorgte für die Musik. Durch die kurzfristige Absage von «Keynote-Speaker» und Ringier-CEO Marc Walder, der wegen eines osteuropäischen Staatspräsidenten, der ihn sprechen wollte, ausfiel, kam «Ana Scent» zu einer grösseren Performance.

Hannes Britschgi, zuletzt Leiter der Ringier-Journalistenschule in Zofingen und Stiftungsrat des Preises, moderierte in lockerer Manier. Stiftungspräsident Andrea Masüger von der Somedia: «Die Situation ist ein bisschen absurd. Der Schweizer Journalismus hat ein enorm grosses Qualitätsniveau erreicht, aber das Parlament versucht, ihn einzuschränken. Und das Nein am 13. Februar hat gezeigt, dass die Medien mit abstrusen Vorurteilen konfrontiert sind.»

Roger Schawinski, 1945 geboren, wurde für sein Gesamtwerk geehrt. Laudator Rainer Stadler, ehemaliger Medienredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» und erst vor Kurzem Vater geworden, sagte über den Geehrten: «Der Zürcher Journalist steht schon seit einem halben Jahrhundert auf der hiesigen Medienbühne. Es ist unmöglich, ihn zu übersehen oder zu überhören. Ihm gelang es, Pflöcke einzuschlagen. Nicht nur der ‚Kassensturz‘ und Radio24, auch das von ihm durch alle Schwierigkeiten hinweg durchgeboxte TeleZüri sind zu einem festen Teil des hiesigen Medienangebots geworden.»

Der Geehrte zeigte sich gerührt. «Ich bin voller Freude und Dankbarkeit», sagte Roger Schawinski. «Diese fabelhafte Ehrung zu erhalten bedeutet mir sehr viel!» Talkshows habe er Tausende gemacht: «Das ist immer noch die Königsdisziplin.» Er bedauerte das immer noch bestehende SRG-Monopol: «Die Konkurrenz fehlt, schade!» Im Übrigen sei zu seiner Zeit «ein Aeschbacher im TV» genug gewesen. «Ich bin kein netter Journalist.» Per Saldo sei er auch nach allen politischen Ankündigungen enttäuscht über die elektronischen Medien. Aber er selber wolle weiterhin seine Leistung bringen, Tag für Tag. Roger Schawinski wie er leibt und lebt – Glückwunsch!

Die Stimmen zu Schawinskis Ehrung waren begeistert. SRF-«Kulturplatz»-Moderatorin Eva Wannenmacher: «Roger hat mich entdeckt, das werde ich ihm nie vergessen. Umso mehr freue ich mich für ihn, dass ihm diese Ehrung jetzt zuteil wird.» Rogers Ehefrau Gabriella Sontheim: «Bravo Roger, wir sind alle mächtig stolz auf Dich!» Ex-SRG-Generaldirektor Roger de Weck: «Roger hat diese Auszeichnung mehr als verdient – es wurde Zeit.» Stiftungsrat Marco Boselli von der Tamedia: «Pionier Roger prägt die Schweizer Medienszene. Er hat diese Ehrung mehr als verdient.» Die Luzerner Ex-TeleZüri-Moderatorin Christine Schnyder: «Ich freue mich riesig für Roger. Er war jahrelang mein hochgeschätzer und mega kompetenter Chef – Hut ab!»

Yves Demuth, 1981 in Baden geboren und Redaktor beim «Beobachter», ist einer der drei Preisträger. Laudatorin Paula Scheidt: «Demuth ist gelungen, was man einen Scoop nennt. Eine Veröffentlichung, ‚Akte Bührle, Zwangsarbeit in der Spinnerei‘, die Wellen schlägt, weil sie bisher unbekannte Informationen enthüllt. Wir müssen lernen, dass staatliche Behörden die Zwangsarbeit gebilligt und sogar gefördert haben. Mit bemerkenswerter Souveränität und grosser Empathie führt der Preisträger uns durch seine komplexe und umfangreiche Recherche.»

Die 37-jährige Zürcherin Rebecca Wyss erhielt ebenfalls einen Preis. Laudator und Jurymitglied Hansi Voigt: «Wer hier einen Preis gewinnt, ist in der Branche bei den Grossen angekommen. Ihr Artikel im ‚SonntagsBlick‘-Magazin folgt jungen Schwulen und Transmenschen vom Zürcher Stadtrand ins Schwyzer Umland, die einen hohen Preis für den Mut zahlen, ihre Sexualität nicht mehr zu verstecken. Es werden aber – nicht wie so oft – Opfer, sondern Heldinnen beschrieben. Kämpferinnen mit 30’000 TikTok-Followerinnen, mit schrillen Stimmen und viel zu langen Fingernägeln.»

Dritte Preisträgerin ist die in St. Gallen geborene Angelika Hardegger. Laudator Stefan von Bergen: «In ihrem Agrardossier weiss die Autorin, wovon sie spricht. Ihre Bekannten und Verwandten sind Landwirte. Sie darf sagen: ‚Meine Bauern‘. Ihr Text enthält kleine, starke Bauernportraits. Sie begleitet einen Bauernfreund beim Versprühen schäumender Chemie in der Obstplantage. Dabei witzelt sie über den Giftmischer in der Netflix-Serie ‚Breaking Bad‘. Sie erzählt von der Beerdigung der Grossmutter, deren Leben nur aus Arbeit bestand. Sie weiss: Bauer sein ist mehr als ein Beruf. Kritik an der Landwirtschaft, schreibt Hardegger, kommt bei den Bauern an als Kritik an ihrer Identität.»

Angelika Hardegger sagte anschliessend im Gespräch mit Hannes Britschgi auf der Kaufleuten-Bühne, dass sie die NZZ Richtung «Republik» verlassen werde, wo sie beim Online-Magazin im Oktober starte. «Habe Lust auf was Kleineres», sagte die Journalistin. Obwohl es ihr bei der NZZ sehr gefallen habe, «nun ist Zeit für etwas Neues».

Finn Schlichenmaier, 1998 geboren, in Erlenbach aufgewachsen und Freund von Schauspielerin Luna Wedler (2018 Schweizer Filmpreis als beste Darstellerin in ‚Blue My Mind‘), erhielt den Newcomerpreis. Laudatorin Nina Jecker: «‚Mythos Klimajugend‘ – diese Oberzeile von Finn Schlichenmaiers Text provoziert. Wieso Mythos? Wir haben uns doch gerade so sehr über diese neue, engagierte Jugend gefreut. Die fahren Zug, um unsere Billigflüge auszubügeln. Sie kaufen Secondhand, weil wir so viele Jahre lang viel zu viel konsumiert haben. Sie fordern Mehrweggeschirr, CO2-Gesetze und Verzicht. Und jetzt kommt Schlichenmaier und zerstört diese Vorstellung in einem einzigen Text. Er wirft einen entlarvenden Blick auf seine Altersgenossinnen und -genossen, für die ein neues iPhone und trendinge Schuhe mehr zählen als Nachhaltigkeit und Umweltschutz.»

Die Gewinnerinnen und Gewinner in der Übersicht. Gesamtwerk: Roger Schawinski; Yves Demuth, «Akte Bührle – Zwangsarbeit in der Spinnerei»; Rebecca Wyss, «Ich bin glücklich, wenn jemand nur Schwuchtel sagt», («SonntagBlick Magazin»); Angelika Hardegger, «Liebe Bauern, lasst uns reden» und der Newcomer-Preis: Finn Schlichenmaier, «Das Magazin» («Tages-Anzeiger») «Welche Klimajugend?»