Im Rahmen der Sendereihe «Gesichter Europas» im Deutschlandfunk war auch mal die Schweiz dran. Nur das Matterhorn fehlt, doch sonst sind alle deutschen Klischees, die aus einer arroganten Ignoranz gegenüber der Eidgenossenschaft stammen, bedient.
Allein der Einstieg sagt mehr über die Macher als über die Wirklichkeit aus: «Sobald wir uns Zürich nähern, nimmt die Porsche-Dichte zu – Willkommen im Land der Millionäre.» Und dann: «Allein in Zürich ist jeder vierte Millionär» – pardon? Da wird ein statistischer Durchschnittswert hochgerechnet.
Einer der wenigen Schweizer, die Auskunft geben, ist der Schriftsteller Lukas Bärfuss. Dieser erzählt die Geschichte seiner Kindheits-Armut so als ob dies mit dem Reichtum der Schweiz und nicht mit den fehlenden Frauenrechten in der Schweiz zu tun hat. Es war nicht eine Armuts-Diktatur, die den Müttern, wie die von Lukas Bärfuss, jederzeit die Kinder hätten wegnehmen können, sondern die fehlenden Grundrechte für Frauen.
Auf Lukas Bärfuss' Reichenschelte folgen Deutsche, die in der Schweiz enorm gutes Geld verdienen. Die erzählen gerne Fake Facts, dass man in der Schweiz als Wohnungsbesitzer «gratis» wohnen könne und nebenbei auch noch Millionen mit der Immobilie gewinne. Falsch. In der Schweiz, dies wüssten übrigens Schweizer Expertinnen, gibt es die Eigenmiete, die besagt, dass wer in einer selbstbewohnten Immobilie lebt, die errechnete Miete auch als Einkommen versteuern muss.
Deshalb ist der Anteil der Mietenden in der Schweiz ja so hoch – doch davon erfährt man im Deutschlandfunk nichts.
Die Sendung heisst zwar: «Armut in der Schweiz», es geht aber um den verwerflichen Reichtum der Schweiz, meist von Interviewpartnern aus Deutschland kritisiert und beklagt. Deutsche in der Schweiz, die ohne ihre Schweizer Jobs nie da wären, wo sie jetzt sind: Reich.
Verwerflich ist in dieser «europäischen Reihe», dass die «Flankierenden Massnahmen», die die Schweiz als Lohnschutz bei den bilateralen Verträgen ausgehandelt hat, nicht erwähnt werden. Ein solch strukturelles journalistisches Versagen sollte sich der Deutschlandfunk nicht leisten dürfen. Denn dass die Schweiz so reich und Deutschland so arm ist, hängt nicht zuletzt an den richtigen politischen Anreizen, die Menschen gut ausgebildet in gut bezahlten Jobs ein anständiges Leben führen lässt. Und über die wahre Armut, nämlich die von Frauen aufgrund struktureller Diskriminierung, wird überhaupt nicht berichtet.
Hartes Fazit vom Klein Report: Der Bericht «Armut in der Schweiz» erinnert an eine Skript-Recherche, in der Fakten nicht recherchiert, sondern Meinungen als Fakten verkauft werden. Wer Fakten wie Lohnschutz, Eigenmietwert, Unterschiede der Migration Romandie und Deutschschweiz sowie die gute Integration aller Menschen aus dem Balkan oder aus Sri Lanka unterschlägt, bietet keine Recherche, sondern eine «scripted reality», die es verpasst, den wahren Ursachen von Armut in Europa – auch am Beispiel der Schweiz – nachzugehen.