In der Türkei ist am Mittwoch ein wegen Einschränkungen der Meinungsfreiheit umstrittenes neues Strafgesetz in Kraft getreten. Das Gesetz war vergangene Woche vom Parlament verabschiedet worden und löst das 80 Jahre alte Strafrecht ab. Trotz einiger rechtsstaatlicher Verbesserungen nach den Vorgaben der EU ist das neue Strafrecht umstritten. So ermöglicht ein Paragraph, dass Kritik an staatlichen Grundsatzpositionen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann. Als Beispiel dafür hatte die Regierung die Forderung nach einem türkischen Truppenrückzug aus Zypern und nach einer Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern genannt. Der Chef des türkischen Presserates, Oktay Eksi, macht der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan deshalb schwere Vorwürfe.
Die Einschränkung der Meinungsfreiheit war in den letzten Monaten jedoch bereits von führenden EU-Politikern kritisiert worden. Nach türkischen Medienberichten prüft Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer ein Veto gegen das neue Strafgesetz. Grund dafür ist eine Norm, die für Betreiber illegaler Korankurse lediglich Geldstrafen statt Gefängnis vorsieht. Die Reform des Strafrechts war eine der Hauptforderungen der EU an die Beitrittsbewerberin Türkei in den letzten Jahren und ist eine der Voraussetzungen für den Beginn von Beitrittsgesprächen im Oktober. Ursprünglich sollte das neue Strafgesetzbuch bereits vor zwei Monaten in Kraft treten. Die Einführung war jedoch unter anderem wegen heftiger Proteste von Presse- und Journalistenverbänden aufgeschoben worden. Siehe auch: Neues türkisches Strafgesetz ohne strafverschärfende Vorschriften für die Medien
Mittwoch
01.06.2005