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Montag
23.04.2012

Vor 90 Jahren, im Januar 1922, ist das «Pressefest» des Zürcher Pressevereins, aus dem später der Zürcher Presseball und noch später der Schweizer Medienball werden sollte, das erste Mal durchgeführt worden, im Hotel Waldhaus Dolder am Zürichberg. Für den 27. Oktober 2012 ist zwar das benachbarte Dolder Grand Hotel reserviert, doch ob der Ball dieses Jahr dort traditionsgemäss über die Bühne gehen wird, ist noch fraglich, denn es fehlt das liebe Geld.

«Dieser Anlass hatte von jeher den Zweck, Mittel für unsere Branche zu generieren, für die Stiftung Zürcher Journalistenpreis, für Reporter ohne Grenzen sowie für die Stiftung Hilfsfonds», sagt ZVP-Präsident David Strohm, im Hauptberuf Redaktor bei der «NZZ am Sonntag», im Gespräch mit dem Klein Report. «Das waren in früheren Zeiten manchmal stolze sechsstellige Summen und nie weniger als 15 000 Franken. Könnten wir diesen sinnvollen Zweck nicht mehr erfüllen, fehlt die Existenzberechtigung für diesen Anlass.»

Äusserer Anlass für die Finanzprobleme ist der Umstand, dass die Agentur Frey Communications in Zürich, welche den Ball in den letzten Jahren im Mandatsverhältnis durchführte, den Vertrag mit dem ZPV nicht verlängern wollte. Aufgabe des Ball-Organisators war neben Orchester- und Menüwahl auch die Mittelbeschaffung.

«Ohne Gönner, Sponsoren, Mäzene geht das nicht», erklärt Strohm. «Kein Journalist kann Organisation und Mittelbeschaffung, wie noch vor 30 oder 40 Jahren üblich, nebst seinem Job auf freiwilliger Basis machen, das braucht Profis.» Darum hat man sich einen bekannten und bestvernetzten Profi ins Boot geholt, Farner PR, doch auch für den ist es nicht leicht, nachdem die auf der Hand liegenden Supporter abgewinkt haben: Weder einzelne Verleger noch der Verlegerverband haben sich bis heute durchringen können, finanzielle Mitverantwortung für diesen einzigen Medienball des Landes zu übernehmen. Das Ehrenkomitee Schweizer Medienball wird weiterhin von Hans Heinrich Coninx präsidiert; Hanspeter Lebrument ist als Mentor im Komitee.

«Der `Tages-Anzeiger` spart, die NZZ auch, und Ringier nach dem mageren Jahresergebnis natürlich ebenso», sagt David Strohm, «das macht unsere Ausgangslage anspruchsvoll.» Selbst Jürg Marquard, dem Glamour nie abgeneigt und immer schnell im Gespräch, wenn es um derlei geht, hat im Gespräch mit dem Klein Report negativ reagiert: «Ich gehe schon seit Jahren auf keine Bälle mehr und die letzten Pressebälle, an denen ich teilgenommen habe, waren für mich ehrlich gesagt eher eine Tortur als ein Vergnügen.»

Trotzdem sieht Presseball-Präsident David Strohm Silberstreifen am Horizont: «Die Zeichen aus der Wirtschaft sind positiver als die aus Medienkreisen.» Mit ein Grund für die stockenden Verhandlungen mit potenziellen Financiers sieht Strohm auch in der zwinglianischen Grundhaltung der Zürcher: «Das Herausstellen des Wohlstandes wird hier nicht so gerne zelebriert, und in Pressekreisen schon gar nicht.»

Wohl war! Während für einen Opernhaus- oder Kispi-Ball von Zürcher Gesellschaftsdamen locker Hunderttausende eingesammelt werden, sind die Gäste der Journalisten und diese selbst anders gewickelt. Die meisten haben nicht einmal einen Smoking im Schrank und fragen sich wohl, ob ein paar Hundert Franken für die Ballkarten eine sinnvolle Investition sind.

David Strohm sieht es trotzdem nicht ganz so tragisch: «Sterben wird der Schweizer Medienball auf keinen Fall. Doch vielleicht gibt es dieses Jahr halt eine Pause.» Es wäre nicht das erste Mal: In seiner 90-jährigen Geschichte ist der Presseball bisher 83 Mal durchgeführt worden.

Das Gastland am Medienball 2010