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Dienstag
21.06.2016

Medien / Publizistik

Sieg und Niederlage liegen im Leben oft nah beieinander.

Das ist auch im Berufsleben des Medienanwalts Christian Schertz nicht anders. Zuerst gewinnt Deutschlands bekanntester Medienanwalt gegen die «Bunte» und «Bild» wegen der angeblich falschen Berichterstattung über die Hochzeit Herbert Grönemeyers mit seiner jüngeren Frau, dann verliert er wenige Tage später gegen die «Bunte», weil sie über die Hochzeit von Günther Jauch und seiner Frau Dorothea in Potsdam 2006 ausführlich berichtet hat.

Der «Wer wird Millionär»-Gastgeber ging mit Schertz durch alle deutschen Instanzen und verlor. Danach blieb ihm nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Doch die Klage wurde, wie der Klein Report berichtet hat, abgewiesen.

In einem spannenden Interview mit dem «Stern» sagte Schertz kürzlich, was er von Prominenten hält, die Liebesinterviews und Homestorys zulassen, aber dann auf ihr Privatleben pochen. «Ich rate meinen Mandaten immer: Geh auf die Bühne, dreh deine Filme und geh nach Hause», so der Anwalt. «Ich kenne keinen einzigen Künstler oder Politiker, dem es jemals genützt hat, etwas über sein Privatleben zu erzählen. Allerdings gibt es auch Leute, die nur bekannt sind, eben weil sie Privates und Intimes von sich preisgeben. Die haben es später schwer, wenn sie dann auf einmal entdecken, dass sie diese Art von Berichterstattung nicht mehr wollen.»

Warum? «Weil die Gerichte da ziemlich rigoros sind. Die haben eine Regel: entweder Tür auf oder Tür zu. Wer die Tür zum Privaten weit aufgemacht hat – man nennt das juristisch Selbstbegebung – verliert seinen Schutz», so Schertz. «Wer also ständig seine Beziehung medial vermarktet und dann nicht will, dass über die Trennung berichtet wird, hat kaum eine Chance, dies zu verhindern.»

Beim Thema «Tür auf» fallen dem Klein Report spontan Namen wie Sophia Thomalla oder Daniela Katzenberger ein. Während die «Bild» exklusiv fast täglich über Thomallas stürmisches Liebesleben berichtet, lässt sich Katzenberger von RTL2 für viel Geld bei den Hochzeitsvorbereitungen und der Trauung mit Costa Cordalis’ Sohn Lucas begleiten.

Und darum findet Schertz auch, dass Politiker, die lauthals konservative Werte in der Familienpolitik vertreten, es aushalten müssen, wenn die Medien über die Geliebte und das uneheliche Kind – wie im Fall Horst Seehofer, dem bayerischen Ministerpräsidenten – berichten. Schertz: «Öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken, das geht nicht. Und das sehen auch die Gerichte meist so. Wer als Politiker ein bestimmtes moralisches Verhalten öffentlich einfordert und dann selber anders handelt, muss aushalten, dass das Thema in den Medien wird. Deshalb war die Berichterstattung im Falle von Seehofer auch zulässig.»

Auf die Frage des «Stern», wer oder was die Privatsphäre in Deutschland aus seiner Sicht am meisten bedrohe, gibt Schertz eine doch eher überraschende Antwort: «Früher hätte ich sofort geantwortet die Boulevardmedien, die Yellow Press. Inzwischen sind es natürlich die Geheimdienste, wie Sie am NSA-Skandal sehen können», so Schertz. «Und soziale Netzwerke wie Facebook. Das Netz vergisst nichts.»

Zur Kundenkartei von Schertz gehören das «Who is Who» der deutschen Unterhaltungsbranche, so unter anderem Herbert Grönemeyer, Thomas Gottschalk, Anke Engelke, Günther Jauch, Maria Furtwängler, Johannes B. Kerner und Jan Böhmermann.

Der «Stern» wollte vom Medienanwalt weiter wissen, ob er gezögert hat, das Mandat von Böhmermann anzunehmen, weil dieser ihn in seiner Sendung als «Scherz»-Anwalt Dr. Christian Witz auftreten lässt, der oft nur Laute von sich gibt. Schertz: «Nein, denn als Anwalt die Vorlage zu einer satirischen Kunstfigur zu liefern, zeigt ja, dass ich durch meine Arbeit medial wahrgenommen werde. Ich scheine also nicht alles falsch zu machen. Ich fühlte mich zudem nicht verletzt von Böhmermann.»

Apropos Verletzungen. Wo ist denn Schertz’ Schmerzgrenze bei Mandaten? «Ich rede erst mal mit jedem, aber ich vertrete grundsätzlich keine Rechtsradikale und keine Sekten. Und auch keine Möchtegern-Diktatoren wie Herrn Erdogan.»