In Deutschland tobt ein regelrechter Positionskrieg rund um die «richtige» oder «falsche» Kindererziehung.
Ausgelöst wurde die Schlacht durch einen Dokumentarfilm von Jörg Adolph und Ralf Bücheler unter dem Titel «Elternschule». Die Doku widmet sich dem Tabuthema Monsterkinder sowie den überforderten wie erschöpften Eltern. Der Film geht den Weg des gesamten Beziehungsgeflechts innerhalb der Familie nach und zeigt gewöhnungsbedürftige Szenen, zum Beispiel wie exzessiv schreiende Kinder lernen sollen, sich selber zu beruhigen.
Die öffentliche Reaktion sowie die politischen Folgen der Dokumentation sprengt alles bisher Dagewesene. Der deutsche Kinderschutzbund, respektive dessen Präsident Heinz Hilgers, riet im «Stern» von den im Film gezeigten Methoden dringlich ab.
Auf die Filmemacher, Ärzte, Eltern und die gezeigte Klinik ergoss sich ein Shitstorm, der auch noch Wochen später an Heftigkeit nichts eingebüsst hat. Sogar die Staatsanwaltschaft hat sich bei der im Dokumentarfilm gezeigten Klinik gemeldet: Sie prüfte den Verdacht auf Misshandlung von Schutzbefohlenen aufgrund der Anzeige eines Arztes.
Doch selbst die Einstellung des Verfahrens liess die Proteste nicht weniger werden, im Gegenteil. Der Film sollte eigentlich 2019 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt werden, es bleibt abzuwarten, ob angesichts der öffentlichen Debatte dies nach wie vor geschehen wird.
Das Beispiel «Elternschule» zeigt, wie sehr selbst als Dokumentation angelegte Filme, Texte, Recherchen und Reportagen einem ideologischen Kommunikationsstress unterliegen. Die Filmemacher und die in der Dokumentation porträtierten Einrichtungen und Personen sind von der öffentlichen Reaktion völlig überrascht worden. Statt dass sie über gesellschaftliche Phänomene aufklären konnten, stehen sie selber in der heftigen Kritik der Öffentlichkeit, ja sogar unter einem Generalverdacht der Misshandlung von Kindern.
Das Beispiel «Elternschule» könnte dazu führen, dass ähnliche Dokumentationen über Tabu- oder kontroverse Themen nur noch anonym oder überhaupt nicht mehr gedreht werden können. Zu gross ist mittlerweile die Gefahr, allein durch die Themenwahl zu gefährden.
Das Beispiel zeigt auch, wie sehr alle privaten Themen mittlerweile zum Gegenstand der politisch-ideologischen Debatte geworden sind.