Ende Jahr ist die Zeit für Jahresrückblicke. Medienexpertin Regula Stämpfli blickt für den Klein Report auf die Medienlandschaft in der Schweiz und die Veränderungen in der politischen Kommunikation im Jahr 2017 zurück.
Vorhang auf für: «Trumpism». Diese neue Form der politischen Kommunikation, die sich durch die Aufhebung von öffentlich und privat, durch die digitale Revolution als auch durch die Identität zwischen Regierenden und Regierten definiert, hat sich auch in der Schweiz etabliert. Dies das wichtigste Medien-Fazit für 2017.
Unter der Dauerbeobachtung des Twitter-Königs in den USA zogen die «Trumpism»-Methoden in der Schweizer Politik und in der Medienlandschaft von links bis rechts ihre teilweise zerstörerischen Kreise. «Online-Dekrete», «Regieren per Twitter» und organisierte «Shitstorms» füllten nicht nur die Zeitungsspalten und Talkshowformate, sondern führten direkt zu politischen Rücktritten (Jonas Fricker) und neuen Gesetzen via Dekret angekündigt (Reduktion der Billag-Beiträge auf einen Franken pro Tag).
«Trumpism», respektive die Reaktion darauf, führte unter vielem anderen auch zur Gründung eines neuen Online-Magazins «Die Republik». Die Zielrichtung der «Republik» ist laut Selbstdeklaration ein «schlankes, schlagkräftiges Magazin im Netz». Wessen Schläge hier gemeint sind und gegen wen gerichtet, ist noch nicht ganz klar. Klar ist nur, dass der Umbruch in der Schweizer Medienszene 2017 so radikal war wie kein Jahr zuvor. Etablierte Journalisten und Journalistinnen kehren ihren Medienhäusern den Rücken, beginnen völlig neue Geschäfts- und Informationsmodelle, folgen einer durch die sozialen Medien und Maschinen geformten Berichterstattung.
«Trumpism» macht sich aber auch in der Politik breit. Und zwar indem Regierende via Facebook und Twitter direkt die von ihnen Regierten angreifen. Als beispielsweise die SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr den im Jahr 2017 zum prominentesten Blogger aufgestiegenen Aktivisten Kacem El Ghazzali per Facebook angriff, gingen die Wellen in der Deutschschweizer Medienszene hoch.
Seitdem haben sich die Gewässer nicht beruhigt, im Gegenteil. Viele Akteure in der Politik und Medienszene bedienen sich «Trumpism»-Taktiken. Sie diskreditieren politische Gegner online nicht etwa via Argumentation, sondern mittels persönlichem Angriff. Politische Kommunikation wird direkt ins diskursive Kolosseum verlegt und alle machen mit. Misogyne Praktiken sind hier besonders effektiv (siehe die Hetze gegen die Juso-Chefin Tamara Funiciello).
«Trumpism» als Methode hat sich also im klassischen Journalismus etabliert. «Trumpism» beginnt sich auch in der Wissenschaft breit zu machen. So meint der Basler Historiker Philipp Sarasin: «Ich schreibe lieber einen Blog als für die NZZ» und formuliert ein explizites Ziel: «Mehr Likes zu kriegen als ´Die Weltwoche´.» Die Methoden von «Trumpism» (hier die Personalisierung) werden also durchaus auch im Wettbewerb einzelner Medien gegen andere eingesetzt.
Was uns zu einem anderen «Trumpism»-Phänomen führt: Äusserst unpopuläre Gesetze oder die Offenlegung eines Skandals führen heutzutage nicht mehr zu Politiker-Rücktritten. Dies vermögen heutzutage höchstens noch persönliche Verfehlungen, was belegt: «Trumpism» hat die Politik definitiv privat gemacht (statt das Private politisch).
Diesbezüglich brachte Hannes Britschgi den markantesten Spruch des Jahres 2017: «Wenn jemand auf den Tisch scheisst, druckt '20 Minuten' es ab.» Das Gratispendlerblatt «20 Minuten» mag das prominenteste «Trumpism»-Medium sein, aber es ist bei weitem nicht das einzige. Alle Leitmedien, sogar einige öffentlich-rechtlichen Sendegefässe, bedienen sich des «Trumpism» (Schafft die Demokratie ab). «Fake» war DER Medienbegriff im Jahr 2017. SRF brachte zum Thema sogar eine eigene Sommer-Serie.
Das Medienjahr 2017 bot unzählige Ohrfeigen gegen die offene Gesellschaft und gegen die Demokratie. Schläge, die nicht nur von den üblichen Verdächtigen auf der rechten und rechtsextremen Seite getätigt wurden, sondern auch von einigen «Aktivist*innen» von links, deren Kontakte in der Zürcher Medienszene zu veritablen «Trumpism»-Schlachten zwischen den Medienhäusern und einzelnen Akteuren führen.
Die Schweiz ist den USA punkto politische Kultur, Kommunikation und politische Bewegungen viel näher als es der direkten Demokratie und politischer Kommunikation im Lande eigentlich gut tut.
Fazit: 2017 war mit der Geburt des neuen Phänomens «Trumpism» ein wahrhaft ungeheures Medienjahr.