Aline Wanner in der «NZZ am Sonntag» vom 25. September 2022 bringt es auf den Punkt: «Immer weniger Lust auf Journalisten.»
Unternehmen, Banken, Pharma, Industrie, Universitätsangehörige, Spitalleitungen, Managements et cetera haben keinen Bedarf mehr, den Medien Rede und Antwort zu stehen. Die kommunikativen Kanäle sind via soziale Medien, Webseiten und Pressemitteilungen inklusive Werbung offen und effizienter: Medien stören diesbezüglich nur bei Erledigung der gewachsenen Herausforderungen unserer Zeit. Die Auseinandersetzung mit den Medien hat zudem viel öfter juristische Folgen als früher.
Die Medienexpertin Regula Stämpfli hat für den Klein Report einen Kommentar zu dieser Entwicklung geschrieben.
Interessant ist, dass das neuste Schweizer Medienqualitätsranking die Selbstreferenz der Schweizer Medien nicht misst, respektive die Aussenkontakte der Medien punkto Recherchen, Interviews und regional relevanter wie demokratiepolitisch interessanter Themen nicht im Blick hat. Dabei hält die Otto Brenner Stiftung in ihrer neusten Untersuchung zur Abhängigkeit der Medien vom «Klickratenjournalismus» fest, dass nicht die für die Demokratie entscheidenden Themen, sondern die für die Plattformen und Klickraten geeigneten Themen bevorzugt werden. Und dass dadurch die Demokratie massiv unter Druck gerät.
Meine Beobachtung ist auch, dass wer sich in den Medien äussert, dies im Nachhinein oft bereut, da auch das journalistische Handwerk der auf Klickjournalismus getrimmten Berichterstattenden zu wünschen übrig lässt. Waren früher Porträts, Interviews und Reportagen voller neuer Informationen, werden diese journalistischen Genres mehr und mehr zu Meinungsstücken und für einen Kommentar oder für einen Hashtag zurechtgebogen. Wirklich mächtig sind deshalb mehr und mehr Menschen, die – wie die verstorbene Queen – nie von Medien interviewt werden. Oder es sind mächtige Menschen, die über völlig autonome Kommunikation verfügen, wie beispielsweise Elon Musk oder auch Peter Thiel, der die Power besitzt, ganze Medienunternehmen zu schliessen.
Es gibt ganz offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Innenwahrnehmung der Medien – siehe die Berichte rund um das Schweizer Medienqualitäts-Ranking – und der durch technologischen und ökonomischen Wandel geformten Aussen-Realität. Dazu haben Richard David Precht und Harald Welzer ein Klagebuch verfasst, wo sie «Die vierte Gewalt» als «selbstgleichgeschaltet» polemisieren. Die zwei älteren Herren, Dauergäste in deutschen TV-Talkshows und -Podcasts, kriegen für dieses Buch enorme Aufmerksamkeit, obwohl sie den Kern der Ursache der Medienkrise überhaupt nicht erwähnen oder gar kennen: Die Digitalisierung nämlich, die Information zur Tauschware in automatisierter Reproduktion unabhängig von Relevanz oder demokratischer Legitimation ad absurdum führt. Zudem bedienen Precht und Welzer genau die Medienlogiken, die sie vorgeben, zu kritisieren.
Weithin unkommentiert bleibt die Tatsache, dass sich Medien – punkto Wissenschaft, Expertinnen und Themen – zu stark am Plattform-Journalismus orientieren und damit die für die Demokratie wesentlichen Themen verpassen. Etwas kommt hinzu: Es gibt nur noch eine Gruppe von Menschen, die extrem «mediengeil» ist, nämlich die Politiker und die Politikerinnen. Ein Umstand, der durchaus als demokratische Beunruhigung gewertet werden muss.