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Mittwoch
10.03.2010

Martin Wagner, der neue Verwaltungsratspräsident der Basler Zeitung Medien, äussert sich im Gespräch mit «Werbewoche»-Chefredaktor Pierre C. Meier zu seinen Plänen und zur heutigen Situation der Tagespresse. 3. Teil.

WW: In der Schweiz haben heute die Politiker ihre Spielwiese in den lokalen Radio- und Fernsehstationen gefunden, die ihnen eine willfährige Plattform bieten.
MW: Der Staat subventioniert den elektronischen Medienbereich stark, nicht jedoch den Printbereich. Dies ist eine Ungleichbehandlung. Dagegen werde ich antreten. Die Fehlüberlegungen der Schweizer Politiker ist ihr Glaube, dass das Modell Tageszeitung erledigt ist und alles übers Internet kommt. Sie realisieren nicht, dass übers Internet kein Qualitätsjournalismus finanzierbar ist. Überhaupt kein Journalismus! Sondern nur das Abschreiben von Meldungen. Das sind technische Systemadministratoren, das hat nichts mehr zu tun mit Journalismus. Da liegt der Denkfehler. Sie meinen, wenn die Tageszeitung tot ist, gehen wir halt ins Internet. Und keiner merkt, dass, wenn er auf Baz.ch geht, alles von der Printseite her quersubventioniert ist. Wenn ich aber den Print kille, dann habe ich auch nichts mehr im Internet. Es ist ein Irrsinn, dass das niemand versteht! Schauen Sie mal nach Frankreich. Sarkozy hat sogar ein Bail-out (eine Schuldenübernahme) der Medienunternehmen vorgeschlagen, weil er genau weiss, dass er ein Problem hat, wenn es die Printmedien nicht mehr gibt. Man sollte sich im Klaren sein, wie wichtig der Journalismus für die demokratischen Prozesse ist. Stattdessen schlägt man ständig auf die Printjournalisten ein. Ich verstehe das nicht und verlange ganz klar von den Politikern, dass die Berufslaufbahn der Journalisten subventioniert wird, ich will Stipendien für jeden werdenden Journalisten, man soll Studentenradios finanzieren und Studentenzeitungen subventionieren. Man soll etwas tun, Journalismus ist ein öffentliches Gut, und man muss Sorge dazu tragen. Ich sage nicht, Tageszeitungen sind ein öffentliches Gut, sondern der Journalismus. Das ist mein Ansatz.

WW: Tönt interessant. Es ist nur zu hoffen, dass die Politik mitspielt.
MW: Wenn sie es wenigstens begreifen, ist es schon gut.

WW: Ihr Seniorpartner Tettamanti hat beim Verkauf der Jean Frey gesagt, er sei kein Verleger und er wolle es auch nicht werden. Sie wollen sich langfristig engagieren, wie geht das zusammen?
MW: Herr Tettamanti hat von mir dieses Projekt auf den Tisch gekriegt. Erstens habe ich ihm gesagt, die «Basler Zeitung» ist besser, als sie dargestellt wird. Sie wird krankgeschrieben von Kaufinteressenten. Zweitens habe ich ihm erklärt, dass das Tageszeitungsmodell überlebensfähig ist, vielleicht braucht es noch zusätzliche Restrukturierungsmassnahmen, starke Positionierungsmassnahmen im Marktgebiet und die Hilfe der Politik. Dann habe ich mal meine Überlebensfähigkeit. Die Lösung in die digitale Welt habe ich noch nicht, aber wir sind dann mal so gut aufgestellt, um überhaupt solche Lösungen diskutieren und bei möglichen Kooperationspartnern auf Augenhöhe auftreten zu können. Wenn ich vorher untergehe, muss ich nicht mehr über Lösungen diskutieren. Drittens habe ich ihm gesagt, er könne die gleiche Rolle einnehmen wie damals bei der Jean Frey. Er ist mein Partner, er ist mein Gewissen, doch im operativen Bereich bin ich an der Front. Das gibt ihm auch die Gewissheit, dass er sich nicht täglich mit dem Unternehmen beschäftigen muss.

WW: Was passiert, wenn er irgendwann seine Anteile verkauft?
MW: Wir haben eine Konstellation, die es ermöglicht, dass es weitergeht, wenn ihm etwas zustösst oder mir etwas passiert. Wir haben Sorge getragen, dass unsere Absicht, die Unabhängigkeit der «Basler Zeitung» zu gewährleisten, bestehen bleibt. Tettamanti ist eine hochintelligente, belesene Persönlichkeit, die sich sehr stark mit der Zeitgeschichte befasst, und er ist ein Feind der Medienkonzentration. Er hat das gleiche Credo wie ich: Überall, wo es Medienkonzentrationen gab, wo man Dinge zusammengelegt hat, ohne sich zu überlegen, ob es wirkliche Synergien gibt, ging das immer zu Gunsten der Shareholder, aber zu Lasten des Journalismus. Wir hätten heute hier in Basel eine Mantellösung, produziert in St. Gallen. Zeitungen in St. Gallen, Luzern und Basel mit dem gleichen Inhalt: ein katastrophaler Gedanke. Damit hätte man die Qualitätsbedürfnisse des Basler Zielpublikums vereitelt. Man kann Kosten sparen, aber man sollte sich gleichzeitig damit nicht selbst in Frage stellen. Wenn an den Inhalten gespart wird und die Journalisten nicht mehr recherchieren dürfen, dann braucht es die «Basler Zeitung» nicht mehr.

WW: Woher kommt Ihre Begeisterung für den Journalismus?
MW: ich habe mich seit Beginn meiner Laufbahn mit dem Journalismus beschäftigt. Für mich war Watergate eine Faszination. Das ist zwar lange her. Die US-Medien konnten einen Präsidenten stürzen. Aber es war richtig, dieser Präsident hatte Gesetze gebrochen. Stellen Sie sich mal vor, da konnten die Journalisten noch drei Tage zusammen mit Kriegsveteranen unter einer Brücke liegen und Informationen sammeln. Und dann haben sie ihre Artikel geschrieben. Das geht heute nicht mehr. Aber genau das ist die Wächterrolle, die es gegenüber den Mächtigen und Herrschenden braucht. Diesen Leuten muss man auf die Finger schauen. CNN hat im Jahr 2008 alle Journalisten im Bereich Wissenschaft, Technologie und Weltraum in die Wüste geschickt. Wo ist heute der wissenschaftliche Journalismus? Die Journalisten mussten sich aus wichtigen Bereichen bereits verabschieden. Niemand schien dies zu stören.

WW: Wenn die Wirtschaft nicht anzieht, wird es weitere Sparmassnahmen bei den Medienhäusern geben…
MW: Ja, es wird weitergehen. Es ist ein Trugschluss zu meinen, das Internet habe die Zeitungsszene gekillt. Die Zeitungsszene hat sich selber gekillt durch den Abbau der Qualität. Das Internet hat den ganzen Niedergang nur beschleunigt. Die Ursache liegt darin, dass man den Journalismus nicht mehr als öffentliches Gut angeschaut, sondern ihn aus Profitgier beschädigt hat. Alle meinen, wenn es Print nicht mehr gibt, dann nehme ich meinen Laptop und bekomme die gleichen Inhalte aus dem Internet. Weit gefehlt! Schauen Sie die Bloggerszene an. Es gibt keine ethischen Grundlagen für die Bloggerszene. Wie soll ich denen vertrauen können? Ein weiteres Problem ist die Verlässlichkeit. Ich kann Ihnen ein Lied aus der Filmwelt singen mit der ganzen Hacker-Problematik und den Fragen betreffend den «intellectual properties». Es gibt beispielsweise Leute oder Firmen, die schlechte Inhalte aus Google-Suchresultaten haben. Die beauftragen Hacker, diese Inhalte zu zerstören oder abzuändern. Es gibt also Leute, die in Inhalte eingreifen. Ohne Print habe ich ein grosses Problem mit der Verlässlichkeit und der Glaubwürdigkeit von Informationen. Die ganze Hackerszene ist abgesehen davon auch ein Riesenproblem für das Paywall-System. Wenn ich sage, diese und diese Information kostet dann was, dann geht es genau 24 Stunden, und einer hat das System geknackt. Aber das ist ein anderes Thema.