Martin Wagner, der neue Verwaltungsratspräsident der Basler Zeitung Medien, äussert sich im Gespräch mit «Werbewoche»-Chefredaktor Pierre C. Meier zu seinen Plänen und zur heutigen Situation der Tagespresse. Der Klein Report veröffentlicht das Interview im Wortlaut und hofft, dass Pierre uns keine Klage androht. Es ist uns lieber, dass wir statt vor den Kadi vor die «Kronenhalle»-Bar zitiert würden (siehe andere interessante Interviews im Klein Report).
WW: Die Basler Zeitung Medien (BZM) besteht aus 14 Gesellschaften. Mit 263 Millionen Jahresumsatz und einem operativen Verlust von 12,2 Millionen hat sie rote Zahlen geschrieben. Sie gelten als harter Sanierer, wie wollen Sie die BZM rentabel machen?
MARTIN WAGNER: Wir wollen die Unternehmensstruktur vereinfachen, indem wir Firmen zusammenlegen. Das wird im Laufe dieses Jahres erfolgen. Zusätzlich werden wir eine flache Hierarchie einführen. Die Gruppe wird nicht mehr über die einzelnen Gesellschaften geführt, sondern über eine Konzernleitung als Dachorgan. Das ist eine wesentliche Vereinfachung, rasche Entscheidungswege sind damit garantiert, und zusätzlich erzielen wir eine Kostenersparnis im Führungsbereich. Die im letzten Geschäftsjahr angefallenen Verluste hängen damit zusammen, dass man das Unternehmen restrukturiert hat. Ein wesentlicher Teil dieser Restrukturierung ist abgeschlossen, was aber nicht heisst, dass nicht noch Optimierungsbedarf besteht. Diesen Optimierungsbedarf werden wir in der Konzernleitung ausloten. Es wird zu weiteren Kostensenkungsmassnahmen kommen.
WW: Sie haben angetönt, dass auch die Fremdverschuldung möglichst rasch abgebaut werden müsse. Wie sehen Sie das heute?
MW: Bevor wir weitere Investitionen tätigen, werden wir uns zuerst um die Fremdverschuldung kümmern.
WW: Kann die Basler Zeitung Medien langfristig eigenständig überleben?
MW: Die Basler Zeitung Medien kann langfristig überleben. Das Tageszeitungsmodell ist nicht tot. Ich glaube fest daran, dass die Tageszeitungen eine Überlebenschance haben. Es gibt im Ausland verschiedene Beispiele, wo solche Modelle funktionieren. In Norwegen werden auf 1000 Einwohner 625 Zeitungsexemplare gedruckt - im Vergleich dazu Amerika mit nur 250. Gleichzeitig hat Norwegen die grösste Dichte im Bereich der Verkabelung und verfügt somit über eine hohe Internetnutzung. Die Tageszeitungen überleben dennoch. Dann gibt es das Beispiel des «Guardian» in England, der mit seinem Modell auch überlebensfähig ist. Es gibt noch weitere Beispiele. Wichtig ist, dass die Tageszeitung sich bewusst ist, dass man guten Journalismus machen muss. Es ist alles eine Frage der Qualität. Die Bedrohung der Tageszeitung ist gleichzeitig eine Bedrohung des Journalismus. Seit den 90er-Jahren haben wir erlebt, wie Ertragspotenziale in grossen Medienkonglomeraten durch Verminderung der Qualität erzeugt wurden. Man versuchte aus den grossen Medienzusammenschlüssen für die Aktionäre das Optimale herauszupressen. Das ging alles zu Lasten der Qualität. Man bildete Newsrooms durch Zusammenlegung und Verkleinerung von Redaktionen, damit wurde eigentlich der Journalismus geschädigt. Wenn der Journalismus in seiner ureigensten Form funktioniert, das heisst recherchieren, in die Tiefe gehen, aufklären, eine Wächterfunktion ausüben, dann haben wir Qualität und somit auch eine Überlebenschance.
WW: Das hören wir ja gerne, aber wie geht das zusammen mit den Sparmassnahmen?
MW: Die Sparmassnahmen sehe ich vor allem im Overhead. In Strukturen, die es nicht braucht, in der Vereinfachung von Entscheidungswegen. Ich sehe diese ganz klar darin, dass mit anderen Medienunternehmen Kooperationsmodelle gesucht werden. Wenn ich heute die Situation betrachte, haben wir zwar Kooperationsmodelle, aber die sind verbesserungsfähig. Die BZM hat sich in der Vergangenheit zu schlecht verkauft.
WW: Sie sprechen das Newsnetz und das Magazin an?
MW: Newsnetz und Magazin sind bestehende Kooperationen, aber die BZM ist überall als der schwächelnde Partner ohne grosses Selbstbewusstsein aufgetreten. Mit dem neuen Aktionariat und der neuen Führungsstruktur erhält die BZM ein neues Netzwerk. Wir werden selbstbewusster auftreten und Handlungsalternativen haben.
WW: Gehen die Kooperationen in Richtung bestehender Medien, geht es eher in Richtung Akquisition, oder sind es neue Möglichkeiten durch das neue Aktionariat?
MW: Wir sind klar angetreten als diejenigen Leute, die sagen, wir positionieren die «Basler Zeitung» im zweitgrössten Wirtschaftszentrum der Schweiz. Da werden wir selbstbewusster auftreten. Ich möchte die BZM besser verkaufen, als das in der Vergangenheit geschehen ist: Wir sind stärker, als wir von aussen wahrgenommen wurden. Wir werden das Ertragspotenzial aus bestehenden Kooperationen verbessern oder neue eingehen. In allen Positionen haben wir Fallback-Lösungen, das heisst, wenn irgendetwas nicht klappt, werden wir einen anderen Weg gehen. Das Netzwerk von Dr. Tettamanti und mir ist relativ gross und erlaubt uns das. Es ist auch denkbar, dass wir Akquisitionen tätigen, aber diese müssen sinnvoll sein. Sie müssen im Lesermarkt und im Werbemarkt eine klare Verbesserung bringen, sonst werden wir sie nicht tätigen. In der Person von Herrn Burgener werden wir versuchen dem Unternehmen den Entertainment-Bereich zu erschliessen. Auch Ringier zielt ja in diese Richtung. Wir werden ausloten, wie man im Bereich des Entertainment, der elektronischen Medien und des Films Lesernutzen generieren kann. Diese Modelle werden evaluiert. Da habe ich momentan noch keine fertige Lösung.
WW: Die meisten Verleger versuchen ihr regionales Monopol auszubauen, mit Radio, mit Lokalfernsehen. Sie haben kurz vor der Übernahme der BZM Radio Basilisk an die Verlegerfamilie Hagemann verkauft. War der Verkauf gewissermassen ein Brautgeschenk für die Verkäufer der BZM?
MW: Nein - da muss ich Ihnen zwei Antworten geben. Erstens: Es ist absolut richtig, dass man dort, wo man im Markt stark ist, die Eintrittshürden für andere Medienunternehmer hoch ansetzt. Das werde ich genau so machen. Wir werden sagen, die «Basler Zeitung» ist für Basel, Basel ist für die «Basler Zeitung». Wir sind hier und werden uns im Bereich der Berichterstattung und in der redaktionellen Ausrichtung sehr stark für Basel und die Wirtschaftsregion Basel einsetzen und uns so positionieren, um eben diese Eintrittshürden hoch zu halten. Die Abschottung und Sicherung unseres Marktgebiets ist mein oberstes Credo. Sonst ist man verzettelt, und das bringt gar nichts. In Basel sind wir die Nummer eins. Wenn wir uns in dieser Position behaupten können, haben wir vielleicht nicht langfristig, aber wenigstens mittelfristig unseren Job gemacht. Zweitens: Die Radio-Basilisk-Transaktion ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ich zwar wusste, dass die «Basler Zeitung» zum Verkauf steht, aber nicht wusste, wohin der Weg geht. Für mich wäre die Situation untragbar gewesen, dass die «Basler Zeitung» nach Zürich verkauft wird und ich allein mit Radio Basilisk dastehe. Die Vermarktung lief ja über die «Basler Zeitung». Die «Basler Zeitung» war also mein Partner. Eine solche Situation, wo ich völlig im Unklaren war, wer neuer Eigentümer wird und was das dann für meine Vermarktungssituation bedeutet, war mir zu unsicher. Deswegen habe ich, als ich von diesen Verkaufsabsichten hörte, überall in der Schweiz Partner für die Vermarktung gesucht. Im Hinblick darauf, dass die «Basler Zeitung» als mein Partner wegfallen könnte und ich neue Strategien entwickeln muss. Ich denke, dass im Radiobereich die Einzelvermarktung eines Senders nicht zum Erfolg führt. Hier braucht es eine crossmediale Vermarktung, am besten mit einem grossen Verlagshaus. Da kam Matthias Hagemann, und er sagte, er möchte Radio Basilisk für sich kaufen, weil er da seine verlegerische Tätigkeit für die Zukunft sah. Deswegen habe ich diese Transaktion gemacht. Für mich hat sie Mittel freigesetzt, um mich dann am Kauf der BZM zu beteiligen.
WW: Das Radio gehört also auch zu Ihrer regionalen Verteidigungsstrategie...
MW: Das ist ganz klar. Ich betrachte Radio Basilisk als befreundetes Unternehmen. Mit Matthias Hagemann haben wir ja auch eine personelle Verflechtung im Verwaltungsrat, und wir werden in diesem Bereich weiter eng zusammenarbeiten.
Martin Wagner, Teil 2: «Das Businessmodell ist schlicht nicht da» und Wagner im Gespräch mit der «Werbe Woche», 3. Teil: «Mantellösung ein katastrophaler Gedanke»
Mittwoch
10.03.2010



