Martin Wagner, der neue Verwaltungsratspräsident der Basler Zeitung Medien, äussert sich im Gespräch mit «Werbewoche»-Chefredaktor Pierre C. Meier zu seinen Plänen und zur heutigen Situation der Tagespresse. 2. Teil
WW: Basel hat eine bewegte Mediengeschichte. Die Fusion der «Basler Nachrichten» und der «Nationalzeitung» ist in gewissen Kreisen immer noch nicht verdaut. Jetzt kommt ein Basler Landschäftler und kauft die «Basler Zeitung». Wie waren die Reaktionen?
MW: Man war natürlich verunsichert über die Situation. Als die Kauftransaktion bekannt wurde, wusste man nicht, wohin der Weg führt. Ich habe mich mit den Leuten, die Sie erwähnt haben, ausgesprochen. Ich habe klar gesagt: Die Basler Zeitung Medien ist ein wirtschaftliches Vorhaben und generiert eine wirtschaftsfreundliche Grundhaltung. Wir werden uns gegenüber der Basler Handelskammer und den ortsansässigen Wirtschaftsverbänden ganz klar positiv positionieren, und wir wollen mit den Leuten eng zusammenarbeiten.
WW: Das Problem der zwei Verwaltungsratssitze für die Handelskammer ist also vom Tisch?
MW: Das ist gelöst. Dr. Thomas Stähelin, der Präsident der Basler Handelskammer, und ich werden uns regelmässig austauschen und ein enges Verhältnis pflegen. Er hat bei mir eine offene Tür und ich bei ihm auch. Ich werde auf seine Bedürfnisse eingehen und er auf meine.
WW: Die Leserschaft der «Basler Zeitung» ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Sie ist eher überaltert. Wie wollen Sie die «Basler Zeitung» in Zukunft redaktionell ausrichten?
MW: Die «Basler Zeitung» hat wie alle Zeitungen unter einem Auflagenrückgang gelitten. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir wieder steigende Leserzahlen erreichen können. Im Bereich der Leser sind wir also korrekt positioniert. Was ich verbessern möchte, ist das Feeling, dass die «Basler Zeitung» für Basel da ist. In der positiven Grundhaltung gegenüber Basel, seinen Menschen, seinen Firmen, seinen Institutionen sehe ich noch Verbesserungsbedarf.
WW: Sie haben vorhin Ihr Verständnis von gutem Journalismus erklärt. Was heisst das jetzt für die «Basler Zeitung»?
MW: Wir hatten in den 90er-Jahren sehr erfolgreich agierende Medienunternehmen mit Riesengewinnen weltweit. Dann hat man diese Börsentransaktionen gemacht. Es ging nur noch um Wachstum und Gewinn. Man hat aus den Medienunternehmen Gewinne herausgepresst, indem man auf der journalistischen Seite Einsparungen getätigt hat. Man hat gezielt Gewinne erwirtschaftet und Qualität abgebaut. Der absolut grösste Fehler! Es gibt bereits Berichte aus der Mitte der 90er-Jahren, wo Leute gesagt haben, wenn ihr so weitermacht und die Qualität abbaut, dann werdet ihr eure eigene Existenz gefährden. Und genau das ist passiert. Wir haben nicht nur eine Bedrohung der Tageszeitung, der Journalismus als Ganzes ist bedroht.
WW: Was werden Sie tun?
MW: Ich werde Aufklärungsarbeit leisten und den Leuten Folgendes sagen: Wenn ihr denkt, dass das Internet die Tageszeitung ersetzt, dann liegt ihr falsch. Warum? Die meisten guten Berichte im Internet kommen aus dem Print. Der Printbereich finanziert die Qualität im Internet. Wenn der Printbereich stirbt, dann wird nicht 1:1 die gleiche Qualität im Internet dasein. Das heisst, wir gefährden damit unsere demokratischen Strukturen. Niemand wird Journalismus mit seinen ethischen Grundwerten aus dem Internet finanzieren können. Das Businessmodell ist schlicht nicht da. Was wir brauchen, sind staatliche Fördermassnahmen für die Tageszeitung und den Journalismus. Da sind die Politiker aufgerufen. Ich möchte Kostensenkungen im Bereich der Postzustellung, ich möchte, dass der Staat Studentenzeitungen und -radios subventioniert und für die journalistische Ausbildung grosszügig Stipendien ausrichtet, ich möchte Vergünstigungen, wo es nur geht. Der Staat muss begreifen, dass wir, wenn wir den Journalismus gefährden, die demokratischen Grundwerte gefährden. Wenn die Journalisten ihre Wächterfunktion nicht mehr ausüben können, sondern einfach dazu verkommen, in Newsrooms zu sitzen und technische Administratoren von irgendwelchen Meldungen zu sein, ohne diese hinterfragen zu können, dann haben wir Korruption, und das Demokratiemodell ist gefährdet. Hier braucht es Aufklärungsarbeit.
WW: Die «Basler Zeitung» ist ins Newsnetz eingebunden. Sehen Sie eine Möglichkeit, mit weniger Kosten diese «Grundversorgung» im Internet zu gewährleisten?
MW: Beim Newsnetz haben wir eine spezielle Situation. Wenn jetzt dann noch die ganze Edipresse eingebunden wird, ist das Newsnetz klarer Marktführer. Da gibt es eher Chancen, irgendwann mal im Bereiche des Paid Content eine Rolle zu spielen.
WW: Wie stehen Sie zu Paid Content?
MW: Die meisten Erfahrungen, die ich mitbringe, kommen aus dem Ausland. Wenn man diesen so genannten Paywall betrachtet - Murdoch hat ja gesagt, im März 2010 werde alles etwas kosten -, dann kann das nur mit kartellistischen Absprachen funktionieren. Wenn alle Verleger zusammensitzen und sagen, ab morgen sind alle unsere Angebote kostenpflichtig, dann funktioniert es. Aber das wird nicht gehen - es gäbe Probleme mit der Wettbewerbskommission. Für mich ist die Finanzierung des Journalismus über den Internetbereich nicht machbar. Natürlich kann ich gewisse Erträge generieren, aber ich kann nie qualitativ guten Journalismus, der halt etwas kostet, übers Internet finanzieren. Dieses Businessmodell gibt es nicht und wird es nicht geben. Es braucht aber eine Lösung für die digitale Welt. Die Frage ist, wie verknüpfe ich meine Inhalte mit der digitalen Welt, damit das Ganze finanzierbar ist? Da habe ich schlichtweg - wie alle anderen - keine fertige Lösung auf dem Tisch. Wenn ich eine hätte, wäre ich der glücklichste Mensch.
WW: Es gibt eine Theorie, die besagt, dass Zeitungen in zehn bis fünfzehn Jahren nur noch etwas für eine Elite sein werden, die dafür auch mehr bezahlt. Das klassische Modell 70 Prozent Anzeigenerlös und 30 Prozent Verkaufserlös ist auch am Wackeln, wie sehen Sie die Zukunft?
MW: Wenn in einem Marktgebiet eine starke Marktposition da ist, was wir hier in Basel haben, wenn der Journalismus für die Leute spielt und wenn es qualitativ guter Journalismus ist, wird sich das Unternehmen zwar möglicherweise mit weiteren Schrumpfungssituationen befassen müssen, aber es ist überlebensfähig. Ich muss die BZM in Basel so positionieren, dass der Markteintritt für andere zu hoch ist. Wenn wir uns qualitativ gut positionieren, guten Journalismus machen und Kosten sparen, wo es nur geht und sinnvoll ist, dann bin ich überlebensfähig. Die «Basler Zeitung» wurde gezielt von Kaufinteressenten schlechtgeschrieben. Das muss man ja auch mal sehen. Die «Basler Zeitung» wurde nicht so dargestellt, wie sie wirklich ist.
WW: Wie wollen Sie die Wichtigkeit der Tageszeitung wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen?
MW: Ich habe die Absicht, politische Aufklärungsarbeit zu leisten und den Leuten zu sagen, schaut euch Frankreich an, England und die skandinavischen Länder, wie man da funktioniert und wie wichtig die Tageszeitungen für den demokratischen Prozess sind. Ich staune immer wieder über das Unverständnis unserer Politiker für den Journalismus. Die Journalisten, das sind die Bösen. Was haben Eisenhower in Deutschland und McArthur in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht, um den Demokratieprozess zu beschleunigen? Sie haben Tageszeitungen eingeführt. Eisenhower persönlich hat sich für die freie Presse eingesetzt. Er hat gesagt, schreibt, und wenn es sein muss, schreibt auch gegen mich. Bei McArthur in Japan war es genau gleich. Was sagt uns das? Für ein demokratisches Land, für das Funktionieren der Demokratie braucht es den Journalismus.
Mittwoch
10.03.2010



