Er ist zurzeit omnipräsent, Bestsellerautor Martin Suter (noch 61, Geburtstag am 29. Februar!). Im Kino mit den Filmen «Lila, Lila» und «Giulias Verschwinden», auf der Bühne mit dem Stück «Business Class» und natürlich live bei seinen Lesungen, nicht zuletzt in Buchläden mit seinem aktuellen kulinarisch-kritischen Gesellschaftsroman «Der Koch». Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner traf den Erfolgsautor im Diogenes-Haus vor seiner ersten Lesung im Zürcher Pfauen.
Klein Report: Sie haben bis dato rund 40 Interviews gegeben, weitere 30 oder mehr werden in Deutschland und Österreich folgen. Macht das noch Spass?
Martin Suter: Das war in letzter Zeit schon intensiv, aber es ist nicht immer so, sondern nur jetzt sehr konzentriert. Dann macht es auch Spass. Man steht ja gerne ab und zu im Mittelpunkt des Interesses.
Wie gehts Ihnen bei der Lesetour, haben Sie Lampenfieber?
Martin Suter: Zurzeit bekämpfe ich nur die Symptome eines grippalen Infekts. Was Lampenfieber angeht: Irgendwann war es weg.
Unter welchen Aspekten suchen Sie die Textstellen für Vorlesungen aus?
Suter: Ich bespreche mich diesbezüglich genau mit meiner Lektorin, die das Buch fast besser kennt als ich. Eine Grundregel ist: Ich lese immer den Anfang, aber nie den Schluss.
Sie haben also keine Ängste wie der junge Mann David in Ihrem Roman «Lila, Lila» bei seinen Lesungen.
Suter: Nein, es ist natürlich ein viel angenehmeres Gefühl, sein eigenes Buch vorzulesen als ein geklautes.
Wie wichtig ist Ihnen die Resonanz beim Publikum?
Martin Suter: Die Rezeption bei den Lesern ist mir sehr wichtig. Wenn die Leser den Stoff nicht gut finden, habe ich mein Ziel verfehlt. Ich will ja Geschichten erzählen, die möglichst viele Menschen ansprechen. Dass dies dann kommerzielle Folgen hat, ist eine sehr angenehme Nebenerscheinung.
Wie haben Sie die Geschichte des Hilfskochs, der eigentlich ein Meisterkoch ist, entwickelt?
Suter: Die ursprüngliche Idee ging von einem Menschen aus, der etwas kann, womit er andere Menschen beeinflussen oder manipulieren kann. Zuerst war es ein Zauberer, Magier, ein Hypnotiseur. Ich wollte, dass solche Kunst von anderen Leuten zu ihren eigenen Zwecken genutzt wird. Irgendwann stiess ich auf einen Koch - eben Verführung durch Essen. Aber ich wollte keinen Starkoch, sondern einen Küchengehilfen, ein verkanntes Genie. Wenn man dann in Sachen Küchenhilfen recherchiert, stösst man zwangsläufig auf Tamilen.
Dann kam aber noch ein besonderer Aspekt hinzu ...
Martin Suter: Ja, ich habe mich gefragt, was könnte das Essen beeinflussen, und bin darauf gekommen, mit dem Essen erotisch zu stimulieren. Bei der Recherche bin ich auf Ayurveda gestossen. Ayurvedische Medizin hat acht Sparten und eine davon ist Aphrodisiaka.
Haben Sie mal selbst eines der beschriebenen Rezepte ausprobiert?
Suter: Nur partiell. Ich habe selbst aus Sri Lanka Setzlinge von Currybäumchen mitgebracht. Eines hat überlebt und steht auf Ibiza.
Was fasziniert Sie am Kochen?
Suter: Mein Heimatgeruch beim Kochen ist Zwiebeldämpfen im Olivenöl. Zeit zu haben fürs Kochen, ist Lebensqualität. Die wenigsten Leute haben Zeit dafür.
Der Film «Giulias Verschwinden», der jetzt auch in Deutschland und Österreich angelaufen ist, basiert auf Ihrem Drehbuch. Er wurde mehrfach für den Schweizer Filmpreis nominiert, unter anderem auch fürs beste Drehbuch. Er setzt sich mit dem Alter und Altersängsten auseinander. Haben Sie Probleme mit dem Alter?
Suter: Ja, wie alle Leute.
In der Figur Giulia steckt also einiges von Ihnen?
Suter: O ja. Das Altern hat mich schon als 20-Jähriger beschäftigt. Ein frühes Buchprojekt von mir befasste sich mit einer Welt, in der man erst mit 60 Jahren volljährig wird. Diese Welt wurde von über 60-Jährigen regiert.
Sie pendeln zwischen Guatemala, Ibiza und Zürich. Wo fühlen Sie sich heimisch?
Suter: Heimatgefühle habe ich bei der Ankunft, nicht unbedingt im Land, sondern im Haus. In Zürich spielen dann auch die Sprache, die Leute, die Umgebung eine Rolle.
Sie verfolgen sicher die Querelen übers Bankgeheimnis. Was meinen Sie dazu?
Martin Suter: Das Bankgeheimnis ist überfällig. Das wollen einige nicht wahrhaben. Die Schweiz muss sich der EU anpassen.
Wie sehen Sie sich selbst? Sind Sie ein disziplinierter Schreiber?
Suter: Ich bin kein disziplinierter Mensch, aber ein ungeduldiger Schreiber. Ich will, dass meine Geschichte vorangeht und zum Ende kommt.
Freitag
05.02.2010



