«Wir haben keine Sucht nach unserem iPhone, es ist Liebe», behauptete der dänische Marketingfachmann Martin Lindstrom an der Veranstaltung Mediavision der SRG-Vermarkterin Publisuisse spitzbübisch. Er zeigte, dass die Hirnregionen, die bei der Benutzung des Smartphones aktiv sind, dies verraten: Es sind dieselben wie beim Betrachten eines geliebten Menschen.
Lindstrom ist ein Mann, der sich leidenschaftlich mit Marken beschäftigt. Als Kind waren es Legosteine, die ihn begeisterten. Er baute sich deshalb ein Bett aus Lego und ein kleines Legoland im Garten. Der dänische Spielwarenhersteller wurde dadurch auf ihn aufmerksam. holte ihn später ins Beraterteam.
Martin Lindstrom veröffentlichte sechs Bücher über Marken und Konsumentenverhalten - unter anderem «Brandwashed» und «Buyology». Dazu schreibt er als Kolumnist für das «Time Magazine» und «Harvard Business Review», ist in der «Today Show» des US-Senders NBC zu sehen und tritt als Sprecher auf Marketingveranstaltungen auf.
Ganz in Schwarz gekleidet und leidenschaftlich gestikulierend sprach der Marketingmann am Dienstagabend im Studio 1 des Schweizer Radios und Fernsehens darüber, wie Werbung die Konsumenten erreichen kann, wie das Unterbewusstsein Kaufentscheide beeinflusst und was das alles mit Affen zu tun hat.
Immer wieder bezog er auch das Publikum ihn sein Referat ein. Unter anderem als er testete, wie sehr Menschen wirklich fähig zum Multitasking sind. «Wir sind es nicht», zeigte die Probe aufs Exempel mit einem Zuhörer, der zwei Screens gleichzeitig verfolgen und danach Fragen dazu beantworten musste. «Durchschnittlich können wir 1,3 Kanälen folgen und auch bei Menschen unter 30 sind es nur 1,4 Kanäle.»
Lindstrom erklärte die Unfähigkeit zum Multitasking mit der Funktionalität des Gehirns, das sich nicht so schnell auf die multimediale Welt der neuen Medien einstellen kann. «Das Gehirn wurde konstruiert, als wir noch Affen waren, und hat sich seither wenig verändert. Es ist nicht fähig, unbegrenzt Informationen aufzunehmen. Marken befinden sich in einem ständigen Kampf miteinander, da das Gehirn immer wieder Informationen löscht, um Platz für Neues zu schaffen.»
Mit seinem charmanten dänischen Akzent verriet Lindstrom den anwesenden Werbeauftraggebern und Marketingleuten seine Rezepte für einen Werbespot, der bei den Zuschauerinnen und Zuschauern hängen bleibt: «Die Marke darf nicht zu früh gezeigt werden, denn die Menschen wollen herausgefordert werden und überlegen, worum sich der Spot dreht. Verschiedene Visuals und Geräusche können auf die Marke hinweisen, bis diese schliesslich erscheint. So entstehen Muster im Gehirn.»
Ein zweites wichtiges Stichwort ist laut Martin Lindstrom der Kontext. «Es macht wenig Sinn, in der Werbeunterbrechung eines Actionfilmes für ein Entspannungsbad zu werben. Die Produktwerbung muss die Stimmung, in der sich der potenzielle Konsument befindet, aufnehmen.»
Der charismatische Marketingenthusiast machte ein weiteres Beispiel für Markenbindung, das schon ins Unheimliche abdriftete: Die Waschmittelmarke Tide schickte nach dem Hurrikan Katrina in den USA Mitarbeiter los, die den Katastrophenopfern halfen, ihre Wäsche zu waschen. «Diese Leute werden sich für immer an den Brand erinnern», erklärte er gewinnorientiert.
Ein weiterer Faktor, den Marketingleute nicht unterschätzen dürfen, sei das Herdenverhalten der Menschen, so Lindstrom. «Wer von Freunden schon einmal etwas über ein Produkt gehört hat, verfolgt die Werbung zum selben Produkt viel aufmerksamer. Dieses Prinzip funktioniert auch in Onlineshops, wo wir sehen, was andere gekauft haben, und es ihnen gleichtun.»
Nach dem einstündigen und kurzweiligen Referat fragte SRF-Moderator Urs Gredig, ob Lindstrom einen Blick in die Zukunft wage. Dieser meinte selbstbewusst: «Ich bin überzeugt, dass meine Ratschläge noch in 20 Jahren gültig sein werden, darauf setzte ich sogar meinen Job.»